Wann geht uns ein Licht auf?

Weihnachtsbeleuchtung Michael Schwarzenberger auf Pixabay

Weihnachtsbeleuchtung hat nicht nur schöne Seiten. Zu viel Licht in der Nacht hat negaitve Auswirkungen auf unsere Umwelt. Foto: Michael Schwarzenberger, Pixabay

Martina Vogt im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Jüstel, FH Münster –
Ein Interview vom 07. Dezember 2020

Kreis Gütersloh: Nicht alles kann uns solch eine Corona-Pandemie nehmen, denken viele von uns in diesen Tagen. Weihnachten sollten wir ausgiebig, zumindest im kleineren Kreise unserer Lieben, feiern dürfen. Wir versüßen uns die Adventszeit mit dem Backen von leckeren Plätzchen und basteln mit den Kindern Weihnachtsmotive für die Fenster.

Und natürlich… blinken überall an jedem Haus dekorative Weihnachtssterne, Rentierschlitten und leuchtende Plastik-Nikoläuse läuten feierlich das bevorstehende Fest ein. All das leuchtet nicht selten bis spät in die Nacht. Nicht nur zum Ärger der Nachbarn, die bei dem Lichtermeer schwer einschlafen können.* Wissenschaftler:innen warnen seit Jahrzehnten vor einer immer stärker werdenden Lichtverschmutzung überall auf der Welt.

So hell ist unser Nachthimmel wirklich

Kartenausschnitt der Lichtverschmutzung 2019 NRW, Hessen und Niedersachsen
Kartenausschnitt der Lichtverschmutzung im Jahr 2019 NRW, Hessen und Niedersachsen.
Quelle: lightpollutionmap.info

Auf dieser Webseite wird deutlich, wie stark sich unsere Nacht im Vergleich zu früheren Jahren aufgehellt hat. Lichtexperte Prof. Dr. Thomas Jüstel von der Fachhochschule Münster sieht gerade in der Weihnachtszeit unsere Beleuchtungs-Freude als gravierendes Problem an. „Ich rate dazu, die Weihnachtsbeleuchtung spätestens ab 22 Uhr auszumachen. Damit würden wir der Aufhellung der Nacht entgegenwirken und weniger Lichtverschmutzung würde entstehen.“

Komplette Dunkelheit in der Stadt zu erzeugen sei schwierig laut dem Dekan des Fachbereichs Chemieingenieurwesen Professor Jüstel. „Unter dem Aspekt wäre es sinnvoll, wenn Städte oder auch Privatleute zwischen 22:00 und 6:00 Uhr die Beleuchtung runterdimmen. So eine Phase brauchen wir, in der es richtig dunkel ist. Andernfalls würden wir Menschen buchstäblich aus dem Takt geraten. Wir haben einen inneren Taktgeber, einen besonderen Blaulichtrezeptor in den Augen, der die Melatoninkonzentration im Körper regelt.“

Wenn künstliche Lichtquellen den Nachthimmel aufhellen

Was ein Besuch bei den Großeltern auf dem Land alles auslösen kann… Mit einem angsterfüllten Blick gen Himmel fragte die vierjährige Tochter ihre Mutter ganz verwundert, was denn das für Lichter am Himmel seien. Das Großstadtkind hatte noch nie einen Sternenhimmel gesehen und fand den Anblick eher unheimlich.

„Das ist leider traurige Realität“, entgegnet Professor Jüstel. „Wir sehen kaum noch die Sterne am Firmament. Wenn künstliches Licht unseren Nachthimmel aufhellt, dann sprechen wir von Lichtverschmutzung. Sowohl Staubpartikel als auch Wolken am Himmel streuen das Licht der künstlichen Beleuchtungseinrichtungen. Dadurch wird ein Teil zurück auf die Erdoberfläche reflektiert. Ein Grund, weshalb der Himmel gräulich anstatt schwarz erscheint und die Sterne vor allem im urbanen Raum kaum bis gar nicht mehr zu sehen sind. Die Sterne werden einfach überstrahlt. In Großstädten sprechen wir von einer sogenannten Lichtglocke oder auch vom Lichtsmog, der durch die Streuung des Kunstlichts in der Atmosphäre entsteht.


„Um wirklich die 3.000 Sterne** am Nachthimmel beobachten zu können, die prinzipiell
mit bloßem Auge von einem bestimmten Beobachtungspunkt aus sichtbar sind,
müsste man mittlerweile in die Arktis oder Antarktis fahren.“


Wo können wir noch die Milchstraße sehen? Foto: Boris Stromar, Pixabay
Wo können wir noch die Milchstraße sehen? Foto: Boris Stromar, Pixabay

Licht hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Gerade zur Adventszeit wird es früh dunkel und spät hell. Unsere Stimmung fällt, sobald wir zu wenig Licht haben. Das winterliche nasskalte Wetter drückt ebenfalls auf die Laune. Und dann endlich geht es auf Weihnachten zu und es wird – Tag für Tag – wieder ein bisschen heller. Und die weihnachtliche Beleuchtung hilft, dass das Stimmungsbarometer steigt.

Jedoch steht diese gefühlt positive Wahrnehmung von Licht einer ganz anderen Realität gegenüber: Wir alle werden durch unsere innere biologische Uhr gesteuert, welche durch den Sonnenauf- und -untergang synchronisiert wird. Gar kein künstliches Licht in der Nacht wäre für den menschlichen Organismus deutlich gesünder, weiß Professor Jüstel. Künstliches Licht in der Nacht könne Stress verursachen und zu einem höheren Krebsrisiko führen. Und auch die Tier- und Pflanzenwelt leidet unter der fortschreitenden Lichterverschmutzung.


„Die Dosis macht das Gift.“ Paracelsus


„Wenn jemand wissen möchte, was genau zu viel Licht ist, der schaue einmal direkt in das Sonnenlicht. Zu viel Licht kann den Augen schaden. Das kann die Sonne sein, ein Laser oder die Lichtquelle eines Projektors. Das ist der eine Aspekt: Zu viel Intensität“, weiß Professor Jüstel. Der andere Aspekt ist die Störung unseres Bio-Rhythmus. Er ist auf die Erddrehung, also auf den Tag-Nacht-Zyklus angepasst. Die Erddrehung habe, laut Jüstel zur Folge, dass es bis zu zwölf Stunden hell und bis zu zwölf Stunden dunkel ist.

Lichtermeer. Foto: Jill Wellington, Pixabay
Lichtermeer. Foto: Jill Wellington, Pixabay

„Diesen Bio-Rhythmus schalten wir aus, weil wir zu viel künstliches Licht konsumieren. Wir überdosieren uns, indem wir nachts von zu viel künstlichem Licht umgeben sind.“ Als Folgen können Schlafstörungen und eine Verschiebung des Bio-Rhythmus eintreten. Betroffene sind tagsüber schläfrig, entwickeln eine Narkolepsie oder andere Erkrankungen und können nachts nicht mehr durchschlafen. Optimal sei es abends kein bläuliches Licht mehr zu konsumieren. Kerzenlicht sei laut Professor Jüstel das gesündeste Licht überhaupt.

Und dann kommt Silvester…

„Jedes Jahr reden wir über die Silvesterböllerei. An die drei Stunden wird gekracht und gezündet, was das Zeug hält. In dieser Zeit jagen wir laut Umweltbundesamt etwa 2.000 Tonnen Feinstaubpartikel in die Luft,“ betont Jüstel. Drei Stunden, die für etwa 1 Prozent der Feinstaubbelastung des ganzen Jahres in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich sind. Das ist immer noch recht viel und als bedenklich einzustufen,“ warnt der Dekan.


*DieWeihnachtsbeleuchtung stellt übrigens eine „unwägbare Immission“ laut § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dar und darf die ortsübliche Beleuchtung nicht wesentlich überschreiten.

**Ohne Lichtverschmutzung kann man etwa 6.000 Sterne sehen, das heißt Sterne bis zur sechsten Größenordnung scheinbarer Helligkeit (eine astrometrische Skala). Da man aber aus geometrischen Gründen immer nur das halbe Firmament beobachten kann, sind nur 3.000 Sterne sichtbar.

Zur Person: Prof. Dr. Thomas Jüstel, FH Münster, Fachbereich Chemieingenieurwesen, Anorganische Chemie, Angewandte Materialwissenschaft

Prof. Dr. Thomas Jüstel.
Foto: Wilfried Gerharz