Viele Demonstrierende gingen für den Naturschutz am 30. April in Herford auf die Straße. Vorneweg gingen die Vorsitzenden der ostwestfälischen NABU-Kreisgruppen. Foto: Von links nach rechts: Friedhelm Diebrok, NABU KV Herford, Otmar Lüke, NABU KV Paderborn, Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW, Bernd Milde, NABU KV Lippe, Lothar Meckling, NABU KV Minden-Lübbecke und Margret Lohmann, NABU KV Gütersloh. Foto: Freyja Diebrok.
Von Sigrid Schwarze und Martina Vogt
Am Samstag, 30. April, riefen die ostwestfälischen NABU-Kreisgruppen aus Herford, Bielefeld, Paderborn, Lippe, Gütersloh und Minden-Lübbecke zu einer Kundgebung gegen das Artensterben auf. Unter dem Motto: „Bald wech. Stoppt den Artenschwund“ wurde so auf den weltweiten Rückgang der Tier- und Pflanzenarten aufmerksam gemacht, den wir in Ostwestfalen-Lippe und weltweit bemerken.
Mit dem Rückgang der Arten schwindet auch die Lebensgrundlage von uns Menschen. Der NABU und andere Umweltschutzverbände haben 2020 in NRW zur Volksinitiative Artenvielfalt aufgerufen und Forderungen nach mehr Artenschutz gestellt. 115.000 Unterschriften wurden in der durch Corona und Lockdown schwierigen Zeit gesammelt. Die Forderungen wurden im NRW–Landtag beraten und von einer Mehrheit abgelehnt. Darum forderten die ostwestfälischen NABU-Kreisgruppen mit der Demo „Bald wech. Stoppt den Artenschwund“ die Politik auf, mehr für den Arten- und Umweltschutz zu tun.
Der NABU Herford freut sich über die rege Teilnahme von geschätzt 150 Demonstrierenden. „Für den Anfang sind wir ganz zufrieden. Der NABU kann auch Demo 🙂 – klein, aber fein. Ein ‚Hauch‘ von Berlin in der ostwestfälischen Provinz“, bestätigt Freyja Diebrok, NABU Herford.
Die Vorsitzende des NABU NRW, Dr. Heide Naderer, freute sich sehr über die erste von den NABU’s OWL organisierte Demo und sah diese als großen Erfolg an.
Die Demonstrierenden versammelten sich um 13:30 Uhr vor dem Kreishaus in Herford, Amtshausstr. 3, um den geplanten drei Kilometer langen Umzug vom Kreis- bis zum Rathaus, mit kurzen Statements, zu unternehmen. Unter anderem sprachen auf der Veranstaltung: Jürgen Müller, Landrat Kreis Herford, Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW, Karsten Otte, Sprecher der Naturschutzverbände bei der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL und der Geowissenschaftler Michael Strauß. Den Redeteil eröffnete Friedhelm Diebrok vom NABU Herford.
Was wir fordern:
1. Aufgrund der Zersiedelung und Zerstörung natürlicher Lebensräume und der intensiven Land- und Forstwirtschaft ist die heimische Tier- und Pflanzenwelt bedroht. Nahezu 50 Prozent aller hiesigen Tier- und Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste. Wir fordern ein Artenhilfsprogramm als Schutzmaßnahme zum Erhalt bedrohter Tier- und Pflanzenarten und gezielte Informations- und Aufklärungsarbeit für Entscheidungsträger:innen und für die Öffentlichkeit.
2. Für den Biotopschutz und für Schutzgebiete muss in der Landesnaturschutzgesetzgebung und den nachgeordneten Verordnungen uneingeschränkter Vorrang gegenüber jeglichen anderen Nutzungsinteressen in der Schutzgebietskulisse gegeben werden.
3. Für die Stadtplanung brauchen wir mehr Grün – und mehr Schatten. Einen besonderen Schutz von Grünflächen und urbanem Dauergrünland, eine Entsiegelung privater, gewerblicher und öffentlicher Flächen zur Reduktion von Hitze-Inseln, der Eindämmung von Lichtverschmutzung und finanzielle Förderung von Dachbegrünung.
4. Die Absenkung des Flächenverbrauchs: Die Endlichkeit von Flächen und Ressourcen ist mittlerweile bekannt, trotzdem gehen täglich mehr als sechs Hektar Fläche allein durch den Siedlungs- und Verkehrsbereich verloren mit negativen Folgen für den Grundwasserspiegel, das Mikroklima und den negativen Auswirkungen auf den Klimawandel. Wir fordern die Absenkung des Flächenverbrauchs bis zum Jahr 2025 auf maximal fünf Hektar pro Tag und bis 2035 auf null sowie keine weitere Neuversiegelung.
5. Eine deutliche Reduzierung des gesamten Energieverbrauchs und einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz durch Energieerzeugung ohne fossile Rohstoffe. Wir fordern eine Pflicht zur Nutzung von Sonnenenergie bei allen Neubauten und Dachsanierungen. Das gleiche fordern wir auf versiegelten Flächen, genauso wie eine ganzheitliche Betrachtung der Mobilitätswende. Hierbei sollte die Stärkung des ÖPNV und des Fuß- und Radverkehrs Vorrang haben vor der Elektrifizierung des Individualverkehrs.
6. In NRW wird fast die Hälfte der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Daraus ergibt sich eine hohe Verantwortung der Landwirtschaft für den Erhalt der Biodiversität. Über Jahrzehnte kam es zu einer massiven Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und Verarmung der Strukturvielfalt. Die ehemals kleinräumige Kulturlandschaft veränderte sich hin zu großen, einheitlich bewirtschafteten und daher monotonen Gebieten, in denen Brachen, Säume, Hecken und andere nicht genutzte Flächen in vielen Gegenden weitgehend fehlen. Wir fordern eine naturverträgliche, kleinstrukturierte, bäuerliche Landwirtschaft mit dem Ziel einer artenreichen Kulturlandschaft, die Lebensraum bietet für die typischen Arten der Feldflur und des Grünlands in allen Ausprägungen.
7. Der Wald ist ein besonderer Lebensraum. Er dient den Menschen als Ort der Erholung, der Ruhe und der biologischen Vielfalt. In der kommenden Legislaturperiode gilt es, das bestehende 30 Jahre alte Landesforstgesetz zu einem umfassenden Landeswaldgesetz zu reformieren. Die Wälder in Nordrhein-Westfalen befinden sich in keinem guten ökologischen Zustand. Wir fordern eine grundsätzliche Novellierung des Landesforstgesetzes anhand ökologischer, naturverträglicher und nachhaltiger Leitlinien und einen vollständigen Verzicht auf aktives Einbringen nicht-heimischer Baumarten in den Schutzgebieten.
8. Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Es wird zur Deckung des menschlichen Bedarfs aus der Natur entnommen. Gleichzeitig ist es ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere und damit bedeutsam für die Biodiversität. Ihr Schutz sollte daher ein besonderes Anliegen jeder Regierung sein. Wir fordern den guten Erhaltungszustand unserer Gewässer und wasserabhängiger Ökosysteme sicherzustellen. Dabei sind Fließgewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und die Verunreinigungen im Grundwasser zu stoppen. Keine Pestizide im Grundwasser, und die Nitratmenge soll bis 2030 auf unter 25 mg/l im Grundwasser reduziert werden.