Ausgezeichnete Streuobstwiesen: Vom „Schöner aus Wiedenbrück“ bis zur „Pastorenbirne“

Streuobstwiese. Foto: NABU, Andreas Hurtig

Ein Beitrag von Dirk Blome und Martina Vogt

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Streuobstwiesen sind in hohem Maße schützenswert und stellen ein wichtiges Kulturgut dar. Sie gehören zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Klar ist: Je mehr Streuobstwiesen es gibt, desto höher ist der Erhalt der Biodiversität. Denn Streuobstwiesen bieten Lebensraum für mehr als 5.000 Tier- und Pflanzenarten, so auch bedrohten Arten wie Steinkauz oder Siebenschläfer und zahlreichen Insektenarten.

Leider gibt es immer weniger Streuobstwiesen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Rodungen für Siedlungsflächen, Überalterung und Verfall, Nutzungsaufgabe und fehlende Neuanlage lassen die Fläche der Streuobstbestände zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten kontinuierlich schrumpfen. Um diesen Trend umzukehren, haben Vertreter aus Landwirtschaft und Naturschutz zusammen mit dem Land NRW eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Das Projekt „Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW“ ist unter Trägerschaft des NABU NRW im August 2021 wieder aufgenommen worden.

Wer möchte da nicht direkt hineinbeißen.. Foto: Kathy Büscher, NABU Rinteln

Die Internetseite des Projekts Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW ist online: https://www.streuobstwiesen-nrw.de/start/

Vielen Menschen im Kreis Gütersloh ist bewusst, wie wichtig das Kulturgut Streuobstwiese ist. So geht es auch dem Borgholzhausener Harald Gürtler. Der zweifache Familienvater und Ehemann übernahm das Elternhaus, zu welchem zwei große Wiesen gehören. Eine davon ist eine knapp anderthalb Hektar große Streuobstwiese. „Die haben wir seit 2018. Vorher war diese Fläche ein konventionell genutzter Acker. Jetzt nutzen wir das Land extensiv“, erzählt Gürtler dem NABU-Mitglied Dirk Blome. An die 20 Apfelbäume und drei Edelkastanien findet man auf Gürtlers Hof. An jedem Baum gibt es einen Hinweis, um was für eine Baumart es sich handelt. „Und an den meisten Bäumen haben wir einen Nistkasten errichtet.“ Die Fläche ist an einen befreundeten Landwirt verpachtet und wird von Angus Rindern beweidet. Die Einsaat der Weidemischung besteht aus Gräsern, Kräutern und Hülsenfrüchten.

Das Bewusstsein für eine nachhaltigere landschaftliche Bewirtschaftung und Lebensweise kam der Familie vor circa fünf Jahren, als sie mit der Imkerei begannen: „Wenn man mit dem Imkern anfängt, nimmt man die Natur und die Blütenvielfalt ganz anders wahr“, fährt Gürtler fort. „Früher war der Steinkauz häufiger bei uns. Seit zwei Jahren vermissen wir ihn und wir fingen an uns zu fragen, wie wir ihm Lebensraum und eine weitere Heimat bieten können.“ Steinkäuze benötigen offene Landschaften zum Jagen und rar gewordene alte Baumbestände und -höhlen, um sich zu verstecken und dort zu nisten. „Mithilfe unserer extensiven Bewirtschaftungsweise hoffen wir, dem Steinkauz und vielen anderen Tieren und Pflanzen, die als bedroht gelten, wieder einen geeigneten Lebensraum geben zu können.“

Auf der Streuobstwiese der Gürtler’s findet man hochstämmige Bäume. Das heißt, die Kronen beginnen erst bei 1,80 Meter. „In Bauerngärten gibt es oft hochstämmige Bäume, so kann das Vieh darunter weiden.“ Aufmerksam wurde Harald Gürtler auf das Projekt Streuobstwiesenschutz NRW per Zufall. „Und dann habe ich mich einfach online beworben“, schließt er. Dirk Blome vom NABU Kreisverband Gütersloh überbrachte der Familie kurz darauf die Auszeichnung „vorbildliche Streuobstwiese“.

Auf die Frage, wie der Landwirt seine Streuobstwiese schütze und pflege, antwortet er: „Ich vergebe die Pflege der Bäume an einen Obstbaumwart, welcher mir einmal im Jahr beim Pflegen der Bäume hilft. Er schneidet sie, ich räume das Geäst weg. Mir fehlt einfach das Fachwissen und allein kann ich die Baumpflege nicht bewerkstelligen. Ein Menschenleben ist im Vergleich dessen eines Baumes einfach zu kurz.“

Haben Sie einen vorbildlichen Streuobstbestand? Dann bewerben Sie sich
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Alexander Rach und seine Familie wohnen in Halle, im Ortsteil Hörste. Auch er wurde vom NABU KV Gütersloh mit der Auszeichnung „vorbildliche Streuobstwiese“ gewürdigt. Auf seiner Wiese finden sich seit 2018 Apfel-, Pflaumen- und Birnenbäume – alles alte Sorten, erzählt Rach.

„Über Freunde, die selbst einen Hof mit Obstbäumen und Schafen bewirtschaften, kamen wir darauf, dass wir das auch so handhaben wollen“, fährt der zweifache Familienvater fort. „Uns ist es wichtig, wo das Essen herkommt und ich habe meine Freunde mit Fragen gelöchert. Irgendwann wollte ich nicht mehr nur der Fragende sein, sondern selbst alles über die Herstellungsprozesse hinsichtlich Streuobstwiese und Schafzucht wissen.“

2017 kaufte die Familie dann die Hofstelle. 2018 konnte es endlich losgehen, und genau wie bei Familie Gürtler wurde aus dem einstigen Ackerland durch Graseinsäung bald eine Streuobstwiese. Auch Alexander Rach hat sich direkt bei der Landesgeschäftsstelle des NABU in Düsseldorf für die Auszeichnung „vorbildliche Streuobstwiese“ beworben.

Alte Apfelsorten wie die Westfälische Tiefblüte, Schöner aus Wiedenbrück, die Ravensberger Renette finden sich auf Rachs Wiese genauso wie diese alten Birnen,- Kirschen, Quitten- und Pflaumensorten: die Gute Luise, die Pastorenbirne, die Hedelfinger-Riesenkirsche (aus dem Osnabrücker Raum), die Dönnissen-Gelbe-Knorpelkirsche (Es ist die einzige Kirsche, die gelb ausreift. Vorteil: Sie zieht dadurch keine Vögel, also Fressfeinde an.), die Konstantinopel-Apfelquitte und die Stromberger Haus-Zwetschge. Noch 36 weitere Sorten kann man auf dem Hof Rach entdecken.

Bisher wurde Rachs Streuobstwiese zwei mal pro Jahr gemäht. Das soll sich nun ändern: „Wir bekommen bald eine Herde Gotland-Schafe, eine alte, vom Aussterben bedrohte Rasse und eine der wenigen Schafe, die ihr Fell von allein verlieren.“ Geschützt werden seine Obstbäume durch Wühlmausdraht, Jägerzaun und ein abgrenzendes Holzgestell, so dass der Zaun ein wenig Abstand zum Stamm erhält. „Das Beschneiden der 42 Bäume mache ich selbst, immer im Februar, wenn nicht so viel los ist“, schließt Rach. Dafür hat er zwei Obstbaum-Schnittkurse absolviert.

Typische, auf Streuobstwiesen vorkommende Tier- und Pflanzenarten

Fauna

Buntspecht, Grünspecht, Erdhummel, Hornisse, Zaunkönig, Sperling, Stieglitz, Rauchschwalbe, Eichhörnchen, Igel, braune Langohrfledermaus, kleiner Perlmuttfalter, Admiral, Tagpfauenauge, Gartenrotschwanz, Rotkehlchen, Blaumeise, Star, Bachstelze, Kleiber, Turmfalke u.v.m.

Flora

Westfälische Tiefblüte, Ravensberger Renette, Schöner aus Wiedenbrück, Westfälischer Gülderling, Rote Sternrenette, Bunte Julibirne, Schneiders Späte Knorpelkirsche, Dönnissens Gelbe Knorpelkirsche, Bereczki Birnenquitte, Hauszwetsche, Wangenheims Frühzwetschge, Gewürzluikenapfel, Roter Berlepsch, Geisenheimer Walnuss, Speierling, Weide, Prachtkerze, Rotklee.

Das Projekt „Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW“ wird vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW gefördert. Es ist ein Kooperationsprojekt vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV), dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) NRW, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) NRW sowie dem Naturschutzbund (NABU) NRW.


Weiterbildung zum Obstbaumwart

Streuobstwiesen haben eine besondere Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt und stellen ein traditionelles Kulturgut dar. Doch Streuobstbestände sind stark gefährdet. Die Bestände nehmen rapide ab. Ein Grund dafür ist unter anderem die unzureichende Pflege von Obstbaumwiesen. Um das Wissen um die Pflege und den Schutz von Streuobstwiesen weiterzugeben, hat das Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW gemeinsam mit der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA) und der Landwirtschaftskammer NRW eine Weiterbildung zum/r Obstbaumwart:in ins Leben gerufen.

Weitere Details zur Weiterbildung finden Sie hier: Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW


Baumwarte finden
https://www.obstbaumschnittschule.de/baumwarte-finden/

Streuobstwiese. Foto: NABU, Heinz Strunk