„Moore sind eigentlich baumfrei“

Hochmoor nahe Marienfeld. Foto: Martina Vogt

Von Martina Vogt

Im Interview mit Ulrike Rediker-Authmann (Naturschutzbehörde), Wilhelm Gröver (ehemaliger Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Gütersloh), Bernhard Walter (von der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V.) und Bernd Hofer (Diplom-Geograph und Landschaftsökologe).

Update: Die Arbeiten im Naturschutzgebiet Hühnermoor werden im November 2022 fortgesetzt!

Marienfeld (Kreis Gütersloh): Einiges durfte ich an diesem sonnigen Nachmittag in Marienfeld lernen. Zum Beispiel, dass Alpakas einfach so zum „Gassigehen“ ausgeliehen werden können und für den Menschen als therapeutischer Ersatz dienlich sind.

Gassigehen mit Alpakas. Foto: Margret Lohmann

Aber kennen Sie den Begriff „Entkusseln“? Irgend so ein ostwestfälischer Insider, dachte ich zunächst, als ich das den Landschaftsökologen Bernd Hofer während unserer Exkursion durch das Naturschutzgebiet Hühnermoor sagen hörte. Na weit gefehlt: Es ist ein Fachterminus, der in der Landschaftspflege gebraucht wird und meint die Beseitigung junger Gehölze, sogenannter Kussel, von Heideflächen, Feuchtwiesen und entwässerten Mooren.

Exkursion ins Hühnermoor. Foto: Karina Klappenbach

Doch zurück zu unserem Hühnermoor: Es liegt östlich von Marienfeld an der Lutter im Kreis Gütersloh. Es ist das einzige, noch erhaltene Hochmoor im Kreis und hat eine große Bedeutung als Rückzugsraum für die typische Moorvegetation. „Das 8,5 Hektar kleine Hühnermoor ist schon ein sehr altes Naturschutzgebiet; bereits 1938 ist es unter Naturschutz gestellt worden“, erklärt uns Ulrike Rediker-Authmann von der Naturschutzbehörde des Kreises Gütersloh. Die Dramatik lässt sich leider nicht wegdiskutieren: Es ist nicht nur das einzige Hochmoor im Kreis. Es befindet sich auch noch in einem schlechten Zustand. Aus diesem Grund veranstaltete der Nabu Kreisverband Gütersloh zusammen mit Experten und Naturinteressierten Mitte Mai 2022 eine Exkursion ins Naturschutzgebiet Hühnermoor.

Wie steht es aktuell ums Hühnermoor?

Ulrike Rediker-Authmann, Mitarbeiterin der Naturschutzbehörde und seit einiger Zeit verantwortlich für das Naturschutzgebiet Hühnermoor:

Wollgras. Foto: Tom Kirschey

„Das Moor ist in den vergangenen Jahren immer trockener geworden. Generell gesagt sind Hochmoore ja Extremstandorte. Sie sind nass, extrem nährstoffarm und sauer. Ein Hochmoor wird auch Regenmoor genannt. Es wird nur vom Regenwasser gespeist im Gegensatz zum Niedermoor, das in Kontakt zum Grundwasser steht und dadurch deutlich nährstoffreicher ist. Entstanden ist das Hochmoor in einer abflusslosen Senke zwischen zwei Dünen-Rücken. In dieser Senke hat sich über zehntausend Jahre hinweg eine mächtige Torfschicht aufgebaut, welche im Rahmen der bäuerlichen Nutzung, das heißt für die Brenntorfgewinnung bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, abgebaut worden ist.“

Bernhard Walter von der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld:

„95 Prozent der Moore in Nordrhein-Westfalen sind trockengelegt worden.“

Ulrike Rediker-Authmann: „Und nachdem der Torfabbau eingestellt worden ist, sind die dichtende Schicht und einige Rippen erhalten geblieben. Danach fand eine erstaunlich gute Regeneration statt. Nach und nach ist junger Torf nachgewachsen. Verantwortlich dafür sind die Pflanzen, die im Moor wachsen. Eine zeigt sich gerade im Frühling sehr schön: das Wollgras. Wir sehen im Mai die Frucht der Wollgras-Pflanze. Die Pflanze blüht etwas eher, im März/April. Dazwischen wächst das Trügerische Torfmoos (lateinisch: Sphagnum fallax), die Moosbeere und der Sonnentau, eine kleine fleischfressende Pflanze, deren Beute an ihren Tentakeln buchstäblich kleben bleibt.

Ulrike Rediker-Authmann erkärt die notwendige Gehölzrodung am Hühnermoor. Foto: M. Vogt

Normalerweise sind intakte Hochmoore von Natur aus baumfrei. Das ist im Hühnermoor nicht der Fall. Damit ist nicht unbedingt der Rand des Moors gemeint, auch auf der Moor-Fläche selber haben sich im Laufe der vergangenen Jahre Birken angesiedelt. Wir nehmen diesen Birkenjungwuchs seit Jahren immer wieder weg. Würden wir das nicht tun, würde sich die Fläche zu einem Birkenbruchwald entwickeln. Und genau das wollen wir nicht. Als ‚degeneriertes Hochmoor, aber noch renaturierungsfähig‘ bezeichnete die LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW) das Hühnermoor kürzlich. Degeneriert ist es, weil es durch die Trockenheit stark gelitten hat (besonders schlimm war der Sommer 2018 und 2019). Im Prinzip kann man im Sommer mit Turnschuhen übers Moor gehen. Das ist eigentlich nicht so gedacht. Wenn wir an Moor denken, dann denken wir an nasse Verhältnisse. Das Moor saugt sich voll mit Wasser wie ein Schwamm. Normalerweise kann man darin sogar einsinken. Das ist hier nicht mehr der Fall.

Die Frage lautet jetzt: Was können wir tun? Das Moor aufgeben? Oder immer nur den Gehölz-Jungwuchs jährlich entfernen? Vielleicht gibt es noch weitere Möglichkeiten. Und da geht unser Blick auf den Gehölz-Rand rund um das Moor. Die Bäume, die am Moorrand stehen, ziehen Wasser aus dem Moor. Wenn wir die Bäume entfernen, täte das dem Moor sehr gut. Das ist jedoch etwas, was man nicht einfach so macht, gerade weil wir uns hier in einem Naturschutzgebiet befinden. Darum haben wir ein Maßnahmen- und Entwicklungskonzept in Auftrag gegeben, um das Regenerations-Potenzial im Hühnermoor zu untersuchen. Landschaftsökologe Bernd Hofer hat den hydrologischen Part übernommen. Er kann mehr zur Hydrologie des Moors berichten.“

Bernd Hofer, Diplom-Geograph (Landschaftsökologe) vom Planungsbüro Hofer & Pautz,
selber Nabu-Mitglied:

Ulrike Rediker-Authmann und Bernd Hofer. Foto: M.Vogt

„Als Planungsbüro dürfen wir für Nordwest-Deutschland die Moor-Projekte für den Naturschutzbund durchführen. Im Jahr 2020 begannen wir zu verstehen, in welchem Zustand sich das Hühnermoor eigentlich befindet und fragten uns, was wir tun können, um die aktuelle Situation zu verbessern. Die Wasserhaushalts-Bilanz in einem Moor ist entscheidend. Also das, was reinkommt an Niederschlag muss reichen, um abzüglich dessen, was nach unten versickert und zu den Seiten abläuft, immer noch ein Plus zu ergeben – eine positive Wasserhaushalts-Bilanz also.

Die Torfmoose wachsen hoch und lagern immer weiter Torf ab. Bei einem Moor, das so klein ist wie dieses, ist die Wasserhaushalts-Bilanz sehr fragil (ein Moor mit Hundert oder Tausend Hektar ist dagegen deutlich stabiler). Um nun herauszufinden, wie es im Moor-Inneren aussieht, haben wir das Moor abgebohrt. Das geschieht mit einem kleinen dünnen Bohrer. Die Torfschicht wurde an 40-50 Bohrpunkten abgebohrt. Fakt ist, dass der bäuerliche Torfabbau dieses Moor fast vollständig ausgelöffelt hat. Nur eine Mudde, eine dichte Schicht an der Moorbasis, ist übrig. An sich ist dieses Moor zurückgefahren worden auf die Situation nach der Eiszeit bedingt durch den bäuerlichen Torfstich. Große Geest-Hochmoore sind urglasförmig gewölbt, das kleine Hühnermoor aber nicht. Es füllt mit flacher Oberfläche die Wanne zwischen den Dünen aus. Im Zuge der Renaturierung des Moors begannen wir also bei Null.

Torfmoos. Foto: Ludwichowski

Nach und nach staute sich in dieser Wanne mit der Mudde-Schicht1 erneut Wasser an und Torfmoose wuchsen wieder. Das ganze Artenspektrum an Torfmoosen war jedoch nach dem Torfabbau weg. Und das, was aufgewachsen ist, (hauptsächlich Sphagnum fallax) ist eine Art, die mit diesen sehr feuchten Bedingungen gut zurechtkommt. Und so ist hier über die Jahrzehnte ein knapper Meter frischer Torf aufgewachsen, der sehr locker gelagert ist (schätzungsweise 1 cm pro Jahr).

Das Hochmoor, so wie wir es hier vorfinden, ist eigentlich nicht so, wie wir es aus dem Lehrbuch kennen. Es ist urglasförmig gewölbt und ein bisschen klein. Und es füllt flach die Wanne aus. Das liegt daran, dass die Pionier-Torfmoosarten, die hier wachsen, nicht in der Lage sind, das Wasser mithochzunehmen. Die Bult-Torfmoose (Sphagnum magellanicum und Sphagnum papillosum) haben eine grobe Struktur und große Hyalin-Zellen, also leere Zellen, die in der Lage sind, Wasser zu speichern und kappilar mit nach oben zu nehmen. Ein lebendes Hochmoor nimmt seinen Wasserspiegel, während es nach oben wächst, einfach mit nach oben. Die Funktion fehlt hier. Das hat uns zu der Idee gebracht, einfach mal anzuimpfen: Der ehrenamtliche Naturschutz testete das bereits und setzte 3 bis 4 Bulte Sphagnum magellanicum ein; die haben wir wiedergefunden. Sie haben sich in ihrer Position verlagert und angepasst an die etwas trockeneren Bedingungen.

Von den höheren Stellen aus sind sie nach unten geklettert, dem Wasser nach. Ein Zeichen dafür, dass die Bedingungen in der Tendenz zu trocken sind. Deshalb haben wir uns das digitale Geländemodell angeschaut, mit dem wir sehr feine Strukturen erkennen können. Als die Bauern das Moor für den Torfstich trockengelegt haben, haben sie zunächst einen Ringgraben um das Moor herum gegraben. Ein relativ kleiner Graben, aber er funktioniert. Und einen Graben, der auch in eine Richtung hinausführte. Durch diesen Graben ist die ganze Entwässerung durch ein Rohr herausgegangen. Der Graben war in der alten Tiefe noch da und hat alles, was im Winter höher kam, abgeführt.

Hühnermoor mit Baumbestand. Foto: Karina Klappenbach

Wir erhoffen uns nun, selbst mit so kleinen Dingen, wie dem Schließen dieses Abflusses, die fragile Wasserhaushalts-Bilanz aufzubessern, zusätzlich den Waldsaum drum herum wegzunehmen und dadurch den Wasserverlust zur Seite hin zu reduzieren. Nach unten haben wir das Glück, dass die Mudde-Schicht beim Torfabbau nicht zerstört worden ist. Das ist der Beweis dafür, dass es funktioniert!

Foto: M. Vogt

Der Abfluss wurde im März 2022 geschlossen, nachdem die Bäume an der Fläche gerodet wurden (ein Ergebnis der Untersuchung war, dass wir den Randbereich zum Moor von den Gehölzen freistellen und verhindern, dass sie dem Moor Wasser entziehen). Das Problem bei einer Moor-Renaturierung ist: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Das sieht nicht ganz so schick aus, wenn man da erst einmal aufräumt. Ohne dem geht’s aber nicht. Da muss man einmal anfangen und entscheiden, was man möchte. Und hier wollen wir ein Moor! Also müssen wir das ertragen können, was dabei am Rand weggeht.“

1 Die wichtigsten Substrate in einem Moor sind Torf und Mudden. Mudden sind Sedimente, die sich meist ungeschichtet am Gewässergrund ansammeln.

Wie viel macht es aus, wenn man dieses Moor baumlos hält? Ist das eine Wirkung von einem Prozent oder deutlich mehr? Können wir guter Hoffnung sein, dass sich das Moor wieder richtig erholen wird?

Bernd Hofer: „Eine große Birke zieht ein paar Hundert Liter Wasser an so einem warmen Sommertag (circa 400 Liter). Das Problem in unserer Wasserhaushalts-Bilanz bei dem Klimawandel ist nicht, dass die Jahresmengen nicht mehr stimmen, die sind ja relativ gleich geblieben. Das Problem ist, dass sich die Verteilung verlagert hat. Dass wir im Sommer deutlich weniger haben. Früher fiel in unserem Klima die Hauptmenge des Niederschlags im Sommer, im Winter war es weniger. Jetzt ist es umgekehrt. Hinzu kommt, dass das, was runterkommt, Starkregen ist, also Niederschläge, die schnell wieder abfließen und nicht in der Landschaft gespeichert werden. Das ist schlecht für so ein Moor. Und wenn sich dann noch im Sommer die Bäume rings um das Moor am Wasser bedienen, dann kann man sich vorstellen, dass das ein starker negativer Einfluss ist.“

Wie genau funktioniert ihre Mess-Methode und ist das Einspeisen von Fremd-Wasser sinnvoll?

Hühnermoor bedeckt mit Wollgras. Foto: Karina Klappenbach

Bernd Hofer: „Das Erste ist: Es gab schon vorher ein Messsystem, wo ein Meter lange Röhren im Torfkörper steckten, um zu sehen, wie tief das Wasser hinter der Oberfläche ist. Wir brauchen aber ein Monitoring in dem Sinne, dass wir wissen müssen, wo der Grundwasserkörper im mineralischen Untergrund ist. Wir haben 5 Messstellen: vier in jeder Ecke und eine in der Mitte. Die mittlere ist doppelt ausgebaut. Da ist nicht nur die Grundwasser-Messstelle, sondern auch die Messstelle, die den darüber hängenden Moor-Wasserstand misst.

Foto: M. Vogt

Wirklich erfolgversprechend ist, dass wir gesehen haben, dass diese beiden Wasserkörper einen Meter auseinander liegen. Die Trennung funktioniert also. Das war der Beweis für das, was wir uns vorher über die Bohrungen abgeleitet haben. Wir haben Logger eingebaut, die täglich Werte mitschreiben. Dadurch können wir sehr genau verfolgen, wie sich die Wasserstände entwickeln. Das hilft auch, um zu kontrollieren, ob die Maßnahmen, die wir getroffen haben, einen Effekt haben oder nicht.

Fremd-Wasser zuzuführen wäre eine tolle Idee, sie führt aber zwangsläufig dazu, dass wir das Moor hier vergessen können. Ein Hochmoor wird einzig von Regenwasser gespeist, was nährstoffarm und sauer ist. Egal, welches Wasser ich einbringe, es wird nährstoffreicher sein und einen deutlich höheren ph-Wert haben. Das funktioniert also nicht. Es wird zwar nass, aber danach werde ich ein ganz anderes Bild hier vorfinden. Auch wenn ich den Wasserstand durch die Einspeisung von Fremdwasser (zum Beispiel aus der Lutter oder Grundwasser) halten könnte. Es würde nicht reichen. Damit dünge ich das Hochmoor und eine Umwandlung vom Hochmoor zum Niedermoor (Bruchwald) wäre das Ergebnis. Das Hochmoor-Gebiet würde komplett verbinsen und überwiegend Weidengebüsche würden gedeihen. Aktuell haben wir hier ein zwar gestörtes, aber in Regeneration befindliches Hochmoor.“

Neben der Beobachtung der Wasserstände, was konkret haben Sie noch geplant?

Ulrike Rediker-Authmann: „Nachdem wir die Bevölkerung über die Maßnahmen im Sommer 2021 und im Februar 2022 im Umweltausschuss der Stadt Harsewinkel informierten, bleibt uns jetzt nichts anderes übrig, als an die Bäume ranzugehen. Wir müssen den Moor-Rand freistellen. Der Aufschrei aus der Bevölkerung war anfangs groß. Nach erneuten Gesprächen auch mit der Biologischen Station und mit Bernd Hofer, der Kreisverwaltung, mit Vertretern des Forsts, ist die Notwendigkeit eingesehen worden, dass wir hier was am Moor machen müssen und, dass das Moor dringend Schutz bedarf. Es ist das einzige Moor, das wir hier haben. Und ein Moor kann man nicht einfach mal so wieder anlegen. Ich kann eine Fläche aufforsten. Ich kann auch in relativ kurzer Zeit einen Wald entwickeln. Aber bis ich ein vernünftiges Moor habe, das sind ganz andere Zeiträume. Hier haben wir ein Moor, das leidet. Deswegen versuchen wir eine Vielfalt von Maßnahmen zu ergreifen. Geplant ist: Um das Moor herum einen Streifen von zehn Metern freizustellen. (Siehe Abbildung—Schautafel)

Schautafel zur Gehölzrodung am Hühnermoor. Foto: M. Lohmann

Der Weg entlang des Moors wird nächstes Jahr anders aussehen, der Moor-Rand geht ganz seicht in den höheren Bereich über und die Birken dort werden alle entfernt. Die Hecken als Abgrenzung bleiben stehen. Die Eiche kommt weg. Auch der Laubeintrag tut dem Moor nicht gut. Mir blutet auch das Herz, wenn wir diese recht junge Eiche entfernen müssen, aber ich glaube, ich bin inzwischen soweit…“

Wilhelm Gröver, ehem. Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Gütersloh:

 „Das Moor speichert im übrigen viel mehr Co2 als ein Baum. An der Eiche hängen viele...“

Bernd Hofer: „Um noch mal auf die Maßnahmen einzugehen, um das Moor zu erhalten: Die Palette unserer möglichen Maßnahmen ist übersichtlich. Wir sind froh, dass wir Punkte gefunden haben, wie den Graben oder das Beimpfen mit Torfmoos-Arten, die dann das Moor weiterführen können, wenn es denn funktioniert. Das dritte sind die Entkusselungs-Maßnahmen. Doch nur vom entkusseln, wird die Vegetationszusammensetzung nicht besser. Ich kenne Flächen wie das Venner Moor, nördlich von Osnabrück. Dort ist die Hochmoor-Vegetation trotz jahrzehnterlanger durchgeführter Entkusselung fast verschwunden. Fazit: Es hilft nicht nur zu entkusseln. Es hilft zwar die Fläche offenzuhalten, das bringt aber letztendlich nicht viel. Das heißt, wenn ich mir diese ganze Mühe mache, muss ich begleitend die Hydrologie versuchen wieder in den Griff zu kriegen. Entkusseln allein ist keine sinnvolle Maßnahme, nicht ohne Hydrologie. Es wäre als würden wir nur an der Oberfläche kratzen, anstatt die Ursachen zu bekämpfen.“

Warum heißt das Moor eigentlich ‚Hühnermoor‘?

Wilhelm Gröver: „Man vermutet, dass das Moor von Wildhühnern besiedelt war. Früher war das hier arme Landschaft, Allmende, da war Heide und Moor. Dann gab es hier Birkhühner. Deshalb ist auch ein Birkhahn der Charaktervogel dieses Wanderweges. Verschwinden lassen kann man hier übrigens nicht die Schwiegermutter oder ähnliches, dafür ist das Moor leider nicht tief genug … :)“

Ein paar Fakten zur renaturierten Lutter…

Wilhelm Gröver. Foto: M. Lohmann

Wilhelm Gröver: „Neben dem Hühnermoor haben wir die Lutter, die im Bielefelder Stadtteil Quelle entspringt. Sie ist 25 Kilometer lang, bis sie in die Ems mündet und ist immer ein etwas strittiges Gewässer gewesen. Die Lutter ist schon vielfach von den Menschen und von Wasserbauern verunstaltet und verändert worden auch von der Landwirtschaft. Die begradigten Bachläufe sollen renaturiert werden. Damit soll ein ökologisch verbesserter Zustand hergestellt werden. Und was fehlt meistens, wenn ich etwas renaturieren will? Fläche. Gott sei dank hatten wir einen zugewandten Landwirt, von dem wir fünf Hektar Fläche kaufen konnten. Dadurch konnte die Lutter begradigt werden. Die Aue soll als Ruhezone angesehen werden. Was hier entstanden ist, ist eine Kombination aus Sandmagerrasen, sandigen Strukturen, Gewässeraue und dann kommen wir in einen Hochmoorbereich rein, was toll ist, denn vor zehn Jahren hätten wir nicht gedacht, dass wir das so entwickeln könnten. Etwa 6.000 Kubikmeter sind herausgenommen worden, teilweise Mutterboden aus angrenzenden Ackerflächen. Das hat insgesamt nur 135.000 Euro gekostet und wurde zu 80 Prozent vom Land NRW gefördert.

Viele Totholz-Anteile sind hier eingebracht worden. Es sind über 90 Stämme samt Wurzeln, wo Kleinlebewesen und Fische Lebensraum und Brutstätten finden. Es ist mehr ein Holzverbau als ein reiner Gewässerbau. Das vorhandene Holz aus dem Hühnermoor konnte man gut hier einbauen. Man wundert sich über das viele Holz, aber das ist eine wesentliche Bereicherung, auch für die Gewässerfauna. Kiebitz und Flussregenpfeifer haben hier gebrütet. Auch der Waldwasserläufer ist ein Durchzügler, der die Schlammflächen gern aufsucht. Der Silberreiher ist hier auch ab und an zu Besuch, brütet hier aber nicht. Sumpf- und Teichrohrsänger brüten hier, genauso wie die Rohrammer.

Die Renaturierung ist für so einen Fluss wie die Lutter eine totale Bereicherung im Vergleich zu früher, wo die Lutter nur als Kanal durch die Landschaft gezogen ist. Auch Amphibien werden von den flachen Mulden, die sich absetzen, profitieren. Der Kiebitz geht lieber dorthin, wo es richtig feucht ist, sonst geht er lieber auf den Acker als auf eine trockene Wiese. Er ist bei uns zu über 90 Prozent ein Ackerbrüter geworden, was Probleme mit sich bringt. Ein Grund, weshalb die Art stark abgenommen hat.“

Definition Hochmoor:
Das Hochmoor speist Wasser einzig durch Regen. Aufgrund der Dürrejahre seit 2018 leidet das Hochmoor enorm und ist extrem trocken. Ein Hochmoor besitzt eine Art Schwamm im Untergrund. Es benötigt viele Jahrzehnte, bis es entsteht. Sauerstoffmangel und hoher Säuregrad im ständig feuchten Substrat hemmen die Zersetzung von abgestorbenen Pflanzenteilen und führen zur Torfbildung. So wächst das Hochmoor sehr langsam über das Niveau des Grundwasserspiegels, daher der Name Hochmoor.

Entstehung des Hochmoors:
In einer abflusslosen Senke zwischen zwei Sanddünen hat sich das Hochmoor im Laufe von rund 4.000 Jahren gebildet. Moore sind nasse, nährstoffarme, extrem saure Standorte. Lebende Moore sind in Deutschland selten geworden. Ebenso selten werden entsprechend die im Moor lebenden Pflanzen und Tiere, die mit den Extrembedingungen dieser Standorte zurechtkommen. Bedroht ist ihre Existenz allein schon infolge der Luftverschmutzung durch Nährstoffeinträge über Wind und Niederschlag. Durch Torfstich und Entwässerung befindet sich das Hühnermoor heute in einem Übergangsstadium vom Hochmoor zum Flachmoor, also einer früheren Entwicklungsstufe. Das Naturschutzgebiet Hühnermoor birgt dennoch einen hohen ökologischen Wert, denn nach wie vor gedeihen hier typische Pflanzengemeinschaften der Hochmoore.

Zur Flora im und am Hühnermoor…
Noch große Vorkommen typischer Hochmoor-Pflanzen finden sich im Hühnermoor, wie zum Beispiel das Scheiden-Wollgras, der Rundblättrige Sonnentau sowie Moos- und Rauschbeere. Diese Pflanzen gehören zu den seltenen Arten. Sie sind als gefährdet beziehungsweise stark gefährdet einzustufen. Die früher im Gebiet nachgewiesene Rosmarinheide gilt mittlerweile als verschollen. 1975 hat sich die Sumpfkalla neu angesiedelt, die eher für Zwischenmoore typisch ist.

Zur Fauna im und am Hühnermoor…

Bernd Walter: „Der Kreis Gütersloh hat Flächen zwischen dem Hühnermoor und der Lutter gekauft. Diese werden naturschutzkonform gepflegt, also extensiv bewirtschaftet. Dieser Pflege ist es zu verdanken, dass sich jetzt – nach Renaturierung der Lutter – seltene Tierarten wie der Teichrohrsänger, die Rohrammer und der Kiebitz angesiedelt haben. Sie finden hier optimale Bedingungen sich zu entwickeln. Außerdem ist das Hühnermoor reich an Libellen mit seltenen Arten wie die Kleine Moosjungfer. Sie ist eine typische Art der Hochmoor-Gewässer und zählt zu den gefährdeten Arten NRW’s. Bemerkenswert für das Hühnermoor ist unter anderem der große Bestand an Waldeidechsen und Sumpfschrecken.“

Wilhelm Gröver: „Der Klimawandel hat gewisse Vorteile für bestimmte Arten…“

Bernd Walter: „Bestes Beispiel dafür ist die Feldgrille, die im Randbereich unseres Hochmoors vorkommt. Sie gehört zu den Arten, die sehr gut mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommt. Mittlerweile haben wir diesen schönen Feldgrillen-Gesang, den wir eher aus südeuropäischen Ländern wie Frankreich kennen, auch im Kreis Gütersloh. Auch der Wiedehopf zieht seine Vorteile aus dem Klimawandel: Mit seinem langen Schnabel kann er wunderbar die für ihn so begehrten Feldgrillen aus ihren Baumverstecken picken. Aktuell brütet der Wiedehopf noch nicht. In den vergangenen Jahren wurde er jedoch häufig bei uns beobachtet und es kam zur Revierbildung.“

Wilhelm Gröver: „…Der Klimawandel hat aber auch große Nachteile für die Tier- und Pflanzenwelt…“

Bernd Walter: „Vor allem die Feuchtwiesen-Arten leiden unter den langen Trocken-Perioden: Selbst für die Arten, die Trockenheit besser vertragen, sind die derzeitigen Klima-Auswirkungen zu viel, zum Beispiel für die Sumpfdotterblume. Die feuchtigkeitsliebenden Heuschrecken (Sumpfschrecke, Sumpfgrashüpfer) sind auf dem Rückzug, weil die Feuchtwiesen derart schnell austrocknen, so dass die Arten ihre Eier dort nicht mehr ablegen können. Dieses Jahr ist wieder ein extrem trockenes Jahr. Viele Bestände gehen auf lokaler Ebene kaputt. Libellenarten wie die Kleine Moosjunger leiden unter der Trockenheit. Auch die Zahl der Schmetterlinge hat sich im Kreis Gütersloh spürbar reduziert. Der Kleine Fuchs war einer unserer häufigsten Tagfalter neben dem Kohlweißling. Wo sonst mehrere ihrer Gattung an nur einer Blume zu beobachten waren, sieht man in diesem Sommer höchstens zwei auf einmal. Die Bestandsentwicklung ist jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Hier bei uns im Tiefland hatte der Kleine Fuchs jedenfalls erhebliche Bestandseinbußen. Wenn solche Allerweltsarten so stark zusammenbrechen, das zeigt, dass der Klimawandel schnell und plötzlich zuschlägt.“