Steht uns ein stiller Frühling bevor?

Junge Feldlerche Foto: Manfred Delpho

Feldlerche. Foto: Manfred Delpho.

Die Feldlerche: Vogel des Jahres 2019 vom Aussterben bedroht / Schutzräume im Kreis Gütersloh ermöglicht

Von Martina Vogt

Kreis Gütersloh: Zu Beginn der Jahrtausendwende wunderten wir uns darüber, dass einige scheue  Waldvogelarten wie Dohle, Star und Eichelhäher mit dem Imitieren unserer Handy-Klingeltöne begannen. Das war seltsam, evolutionstechnisch betrachtet jedoch völlig normal: Anpassung an  den futterreichen Lebensraum Stadt. Heute müssen wir einsehen, dass es nicht mehr so schön laut und zwitschernd klingt, wenn wir durch den Park oder den hiesigen Wald gehen. Es ist stiller geworden um uns herum. Denn unsere Singvögel verschwinden. Warum das geschieht und wie wir beispielsweise die heimische Feldlerche schützen können, erfahren Sie hier.

Man schreibt ihr so viele Namen zu. Klangvolle, wie etwa „Himmelsvogel“ oder „Kulturvogel“. Das zur Familie der Lerchen  gehörende goldene Kehlchen ist berühmt für seinen lieblichen Gesang, den sogar William Shakespeare in seinem Werk „Romeo & Julia“ nicht unerwähnt ließ. Mit ihrem Gesang ruft die Feldlerche uns jedes Jahr den Frühling herbei.

Als kämen die Klänge direkt aus dem Himmel

„Die Lerchen zu beschreiben ist überflüssig, denn größer und schlanker als ein Sperling, doch mit ähnlichem Gefieder […]“, so sprach der Begründer der wissenschaftlichen Vogelkunde Mitteleuropas Johann Friedrich Naumann (1780 – 1857) über den Sperlingsvogel.

Wer eine Lerche entdecken will, benötigt gute Augen und ebenso gute Ohren: Dann hört man die typischen rollenden Rufe. Sie klingen wie ein „prriit“ oder „prrli“. Hört man diese Klänge vom Boden, handelt es sich häufig um den Gesang des Weibchens. Die Männchen singen meist während des Fluges. Der Himmelsvogel steigt dabei auf 50 bis 200 Meter auf, daher scheint es so als käme der Gesang förmlich aus dem Himmel: Trillernde, zirpende und rollende Laute sind es, die in schneller Folge rhythmisch wiederholt und ununterbrochen vorgetragen werden. (Im Durchschnitt circa zwei bis fünf Minuten). Ihr Gesang ist im Januar bis Ende Juli zu hören. Sie trällert tatsächlich fleißig von der Morgendämmerung bis zum Abend.

Vogelstimme der Feldlerche

Doch sowohl vom Himmel als auch von den Feldern ertönt kaum mehr Gesang. Der Grund: Durch die Intensivierung der Landwirtschaft wird der Lebensraum vieler Feldvögel, wie zum Beispiel der Feldlerche spürbar eingeschränkt. Das ist keine Neuigkeit. Aus diesem Anlass heraus rief der Naturschutzbund Deutschland bereits 1998 und auch in diesem Jahr, 2019, die Feldlerche zum Vogel des Jahres aus. Als Jahresvogel soll sie stellvertretend und anklagend für die nicht zufriedenstellende Landwirtschaftspolitik in Berlin und Brüssel stehen.

Feldlerche (engl. Skylark)
Feldlerche (engl. Skylark). Foto:
BirdLife International

Eine gute Nachricht vorweg:
Im Kreis Gütersloh reagiert man auf das Problem. Dank staatlicher Förderprogramme, von denen viele Landwirte im Kreis Gebrauch machen, entstehen auf vielen Ackerflächen Schutzräume, Freiflächen und Grünstreifen, welche nicht gedüngt werden und die unser Kulturvogel zum Brüten und für die Futtersuche nutzen kann. Laut Gerhard Brechmann, Landwirt und Stiftungshofbesitzer aus Schloß Holte-Stukenbrock sind hier unterschiedliche Blühstreifen und –flächen im Kreis Gütersloh von vielen Landwirten bereitgestellt worden.

Projekt „Artenreiche Lebensräume“ im Kreis Gütersloh

Das Ziel dieses Projektes in der VITAL-Region GT8 ist es viele Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt im Kreisgebiet umzusetzen. Der Kreis Gütersloh unterstützt hier das Programm, das unter Leitung der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld Anfang April 2019 gestartet ist. Zu den Maßnahmen gehört das Schaffen blütenreicher Wiesen und Wegränder sowie Ackerflächen als Lebensräume für Ackerwildkräuter wie Kornblume oder Mohn, aber auch Feldvögel wie Kiebitz, Rebhuhn oder Feldlerche.

Die Rückgänge vieler Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaft gaben den Anstoß auch für dieses Projekt „1000 Äcker für die Feldlerche“, das von 2009 bis 2011 durchgeführt wurde. Das Ziel des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes war es, sogenannte Feldlerchenfenster (kleine, saatfreie Lücken im Getreidebestand)  als einfache und effektive Naturschutzmaßnahme unter Landwirten und Naturschützern in Deutschland bekannt zu machen. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Naturschutzbund Deutschland und dem Deutschen Bauernverband ins Leben gerufen.

Aus dessen Abschlussbericht geht hervor, dass die Anlage von Feldlerchenfenstern einen positiven Effekt auf eben jene haben. „Die wissenschaftliche Begleituntersuchung (Kap. 5 des Abschlussberichts) zeigte, dass sich die Anlage von Feldlerchenfenstern im Wintergetreide positiv auf die Nutzbarkeit der Flächen für die Feldlerche während der Hauptbrutzeit im Mai und Juni auswirkte. Viele Fragen, … (bezüglich der) Wirkung der Feldlerchenfenster auf Bestandesebene, […] sind jedoch weiterhin ungeklärt.“ 

Dass Feldlerchenfenster allein nicht ausreichend seien, um den Bestand der Feldlerchen zu schützen, da ist sich Wilhelm Gröver von der Umweltabteilung des Kreises Gütersloh sicher. Er begleitet das Projekt „Artenreiche Lebensräume“ und weiß, dass  „die Lerchenfenster allein wenig Wirkung erzeugen. Sie müssen im Zusammenhang mit extensiv genutzten Flächen, Blühstreifen oder Brachen gesehen werden.“

Alles unter dem Aspekt ökologischer Bewirtschaftung

Gerhard Brechmann ist Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Hof Brechmann in Schloß Holte-Stukenbrock. Seinen Hof, der direkt an das Furlbachtal angrenzt,  wandelte er vor Jahren um in eine Stiftung mit dem Ziel bedrohte Arten zu erhalten.  Ein Naturschutzprojekt, bei dem nach bestmöglichem ökologischem Nutzen gewirtschaftet wird. Mit sichtbarem Erfolg. Der Naturschützer kaufte eine Ackerfläche von 60.000 m² auf, unterteilte diese in fünf große Teilflächen. Seitdem wurde nicht mehr gespritzt, bestätigt er. „Es ist eine rein ökologische Bewirtschaftung.“ Seit der Anlage der Feldraine beobachtet der Landwirt einen deutlichen Zugang an Feldvögeln. Die Feldlerche habe sofort auf die Extensivierung reagiert. „Von null auf acht Brutpaare ist der Bestand der Feldlerche angestiegen. Innerhalb von zwei Jahren, ohne Düngung.“ Einige Heidelerchen, Feldlerchen und mehrere Paare Baumpieper brüten dort. „Eine unheimlich hohe Bedeutung haben diese Feldraine für die Vögel“, ist sich Brechmann sicher.

Die Effektivität der besagten Feldlerchenfenster zweifelt er an. „Im intensiv angebauten Getreide finden die Lerchen wenig zu fressen. Lerchenfenster werden genauso mit gespritzt, es ist eine tote Fläche“, vermutet der Landwirt. „Lerchen brauchen Flächen mit geringer Nutzungsintensität, wo weniger Getreide gesät wird, wo sie Futter finden können, wie zum Beispiel Insekten.“

Zunehmende Verdrängung

Die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft macht der Feldlerche das Leben recht schwer. Wissenschaftliche Auswertungen konnten zeigen, dass parallel zu steigenden Erträgen bei Weizen & Co. die Feldlerchenbestände schrumpfen – nicht, weil Feldlerchen vermehrt sterben, sondern weil sie nicht mehr genügend Junge aufziehen können. (Quelle: Dachverband Deutscher Avifaunisten)

Die Bestände der Feldlerche sind im Zeitraum von 1980 bis 2008 europaweit um 42% zurückgegangen (PECBMS 2010). In der 2007 aktualisierten Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wird die Feldlerche erstmals als gefährdet geführt (Südbeck et al. 2007). Als wesentliche Ursache wird ein zu geringer Bruterfolg in Folge der Veränderung des Ackerbaus in Richtung von großflächigen, schnell und dicht aufwachsenden Wintergetreidebeständen angesehen. In solchen Beständen fehlen in der fortgeschrittenen Brutsaison wegen des zu dichten Aufwuchses geeignete Nahrungs- und Brutplätze für weitere Brutversuche (Donald & Morris 2005, Morris 2009).

Zu viel Wintergetreide

In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Getreideanbau zum größten Teil von Sommer – auf ertragreicheres Wintergetreide umgestellt. Neue Sorten und die Anwendung von Pestiziden und Dünger machten es möglich. Wintergetreide wird jedoch früher im Jahr sehr hoch und dicht, sodass Feldlerchen dort nicht zwei- oder dreimal brüten können. Es fehlt eine Landemöglichkeit in den hohen Beständen. Die Folge: Lerchen weichen zur Brut auf vegetationsfreie Fahrspuren aus. Dort werden ihre Nester bei der nächsten Feldbearbeitung entweder vom Traktor überrollt oder Nesträuber haben leichtes Spiel.

Intensivgrünland

Im zunehmend bewirtschafteten Grünland sieht es kaum besser aus: Zu stark beweidete Flächen haben zu kurzes Gras und bergen ein hohes Risiko, dass Nester zertrampelt werden. Stark gedüngte Mähwiesen werden dagegen so oft gemäht, dass Feldlerchen zwischen den Schnitten keine Brut mehr vollständig aufziehen können.

Feldlerchenbestände im Sinkflug

Das Verbreitungsgebiet der Feldlerche ist enorm. So kann man weltweit betrachtet sagen, dass sie mit aktuell circa 150 bis 260 Millionen Brutpaaren ein häufiger Vogel ist. Für Deutschland wurden für 2005 bis 2009 zwischen 1,3 und 2 Millionen Reviere ermittelt. Der deutsche Brutbestand macht etwa 2,7 Prozent des europäischen Bestandes aus, was etwas weniger ist, als nach dem Flächenanteil Deutschlands zu erwarten wäre. Die Feldlerchenbestände befinden sich jedoch im Sinkflug: Offizielle Monitoringdaten des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) zeigen zwischen 1990 und 2015 einen Bestandseinbruch um 38 Prozent, also um deutlich mehr als ein Drittel.

Bestandsentwicklung der Feldlerche. Quelle: DDA
Bestandsentwicklung der Feldlerche. Quelle: DDA

Feldvögel verschwinden

Diese Negativ-Entwicklung ist nicht nur in Deutschland messbar, sondern in ganz Europa: Seit den 1980er Jahren hat sich der Bestand der Feldlerchen um mehr als die Hälfte reduziert.

Der „Agrarvogelindex des Indikators Artenvielfalt“ der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, welcher Bestandstrends der wichtigsten Vogelarten der Agrarlandschaft zusammenfasst, ist zwischen 1990 und 2013 um über 21 Prozent zurückgegangen. In nur gut 20 Jahren ist damit mehr als jeder fünfte Vogel aus unserer Feldflur verschwunden.

Verluste durch Nesträuber und durch die Jagd

Sie brütet häufig, zwei bis dreimal pro Jahr, unsere Feldlerche. Aus gutem Grund. Bedingt durch Nesträuber wird im Durchschnitt nur ein Jungvogel pro Brutversuch flügge. Bestandsveränderungen bei der Feldlerche lassen sich aber nicht allein mit veränderten Zahlen bestimmter Feinde wie Füchse, Marder, Hauskatzen  – und seit einigen Jahren Waschbär und Marderhund – erklären. In sechs EU-Ländern Südeuropas ist die Feldlerche im Herbst und Winter immer noch legal jagdbar.

Im Jahr 2014/15 wurden dort laut offizieller Jagdstatistiken fast 900.000 Feldlerchen getötet. Dies sind deutlich weniger als noch 2005, als rund  2,5 Millionen Individuen jährlich von Jägern geschossen wurden. Die Zahl erlegter Feldlerchen hat damit viel stärker abgenommen als die Bestände der Art selbst. Daher kann die Jagd auf Feldlerchen nicht der entscheidende Grund für die aktuellen Bestandsabnahmen sein. Dennoch lässt sich bezweifeln, ob die Jagd auf eine so deutlich abnehmende Vogelart wirklich verkraftbar sein kann. Sie sollte eingestellt werden.

Umdenken gefordert – Schutzmaßnahmen

Um den Bestand der Feldlerche zu erhöhen, bedarf es weiterer Schutzmaßnahmen. Ackerrandstreifen mit einer blühenden Flora stellen eine wichtige Brutstätte der Steppenvögel dar. Gerade während der Brutsaison müssen diese Lebensräume geschützt und verbessert werden. Unser Kulturvogel muss die Chance bekommen, mehr als eine Jahresbrut aufzuziehen.

Statt riesiger Feldschläge mit nur einer einzigen Ackerfrucht wäre für die Feldlerche ein möglichst vielfältiges und kleinräumiges Mosaik ideal, das aus verschiedenen Feldfrüchten, Sommer- und Wintergetreide, Brachen und Wiesen oder Weiden besteht. Auf diese Weise kann die Art während der gesamten Brutzeit und in jedem Revier geeignete Vegetationsbedingungen für eine Brut vorfinden. Der vermehrte Anbau von Sommergetreide wäre dabei ein besonders wichtiger Schritt.

Was können wir selbst zum Schutz der Feldlerche tun?

Nabu Broschüre über unseren Vogel des Jahres 2019 – die Feldlerche

Brachen erhalten

Beste Brutbedingungen und ein reiches Nahrungsangebot stellen für die Feldlerche vorübergehend ungenutzte Felder dar. Es sollten vorwiegend Brachen sein, die nur ein Jahr aus der Nutzung genommen werden. Andere Feldvögel hingegen bevorzugen zwei- oder mehrjährige Brachflächen. Experten fordern einen Brachenanteil von etwa zehn Prozent der Ackerfläche, um die Bestände aller Feldvogelarten erhalten zu können. Um keine Feldlerchenbruten zu zerstören, sollten Brachflächen erst ab August gemäht werden.

Turteltauben überwintern unter anderem in Südafrika
Junge Feldlerche. Foto: Peeder Opecta

Grünland extensivieren

Grünland eignet sich nur dann als Feldlerchen-Brutgebiet, wenn es nicht zu intensiv bewirtschaftet wird. Bei Weideland sollte die Weidetierdichte nicht zu groß sein. Denn im abgefressenen Gras können Feldlerchen ihre Nester nicht verstecken und diese laufen Gefahr zertrampelt zu werden.

Mehr Nahrung

Bei Mähwiesen sind möglichst lange Schnittintervalle von mindestens 46 Tagen zur Brutzeit zwischen März und Juli wichtig. Ist die Schnitthöhe angemessen, können zusätzlich Nest- und Jungenverluste reduziert werden.

Kein Gift aufs Feld

Außerhalb der Brutzeit ernähren sich Feldlerchen von heruntergefallenen Samen auf Stoppelfeldern. Je länger diese erhalten werden können, desto besser ist die Nahrungsversorgung für die Feldlerchen. Auch stehen gelassene Streifen von nicht geerntetem Getreide helfen unserem Himmelsvogel. Wo Feldlerchen auch in der kalten Jahreszeit leben, sind Winterstoppeln und Brachen ein wichtiger Faktor für das Überleben. Durch den Verzicht auf Pestizide lässt sich die Vielfalt der Wildkräuter auf Feldern erhöhen. Mit ihnen finden sich Insekten und Wirbellose ein und stehen der Feldlerche als Nahrung zur Verfügung. Indem weniger gedüngt wird, bekommen auch Wildkräuter eine Chance, die auf fetten Böden nicht gedeihen können. (Siehe Hof Brechmann, Schloß Holte-Stukenbrock)

Umsetzung der Maßnahmen

Durch den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und mineralischen Dünger ergeben sich einige der oben genannten Schutzmaßnahmen für die Feldlerche automatisch als Nebenprodukt des ökologischen Landbaus. Doch auch in der konventionellen Landwirtschaft muss es ausreichende Überlebensmöglichkeiten für die Feldlerche geben. Die meisten Schutzmaßnahmen für die Art sind jedoch mit Kosten oder Ertragseinbußen verbunden. Die notwendigen großflächigen Veränderungen werden sich daher nur durchsetzen lassen, wenn sich die entsprechenden Maßnahmen für Landwirte auch wirtschaftlich auszahlen.