NABU-Kreisverband Gütersloh zu Besuch im Milchviehbetrieb Frentrup auf dem Ströhen
Von Martina Vogt
Steinhagen: Ganz sommerlich mutete der Samstagnachmittag Anfang Oktober auf dem Ströhen an, als sich der NABU-Kreisverband zusammen mit Naturinteressierten auf dem Milchviehbetrieb Frentrup traf. Die Neugier auf beiden Seiten war groß. Und die Frage kam auf, was Landwirtschaft mit Naturschutz gemeinsam habe.
„Nun, wir sind kein Bio-Hof!“, nahm der Agrarbetriebswirt und Chef des Hofs, Carsten Frentrup, gleich vorweg und erklärte warum: „Weil die wenigsten den Bio-Preis bezahlen würden.“ Dennoch arbeiten er und seine Ehefrau, Agraringenieurin Dr. Mechthild Frentrup, nachhaltig und bewirtschaften einige Grünflächen extensiv. Insgesamt bewirtschaftet der familiengeführte Betrieb 110 Hektar Grünland und 150 Hektar Ackerland, wobei letzteres zur Hälfte aus Maisanbau besteht. Der Rest teilt sich auf in Getreide und Ackergras.
Was aber hat nun Landwirtschaft mit Naturschutz gemeinsam?
Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick darauf, wie der Kontakt zwischen dem NABU Gütersloh und dem Hof Frentrup zustande kam: Auf einer im Herbst 2019 geführten Veranstaltung des NABU durch das Naturschutzgebiet auf dem Ströhen kamen beide ins Gespräch. „Wir bewirtschaften einige Flächen im Naturschutzgebiet. Das war der Anknüpfungspunkt, und ein beidseitiges Interesse wurde deutlich“, schildert Mechthild. „Einige Flächen bewirtschaften wir entsprechend der Vertragsnaturschutz*-Richtlinien. Es gibt Auflagen, wie oft wir düngen und mähen dürfen. Zum Beispiel mähen wir erst nach dem 15. Juni, um die bodenbrütenden Vögel zu schützen.“
Der Nachhaltigkeitsgedanke sei in der Landwirtschaft von je her existent, laut Mechthild Frentrup. „Unser Betrieb wird seit über 500 Jahren von Generation zu Generation weitergegeben. Damit das funktioniert, achten wir auf fruchtbare Böden und investieren jedes Jahr in moderne Technik und in Ställe, in denen die Tiere sich wohl fühlen.“
Davon konnten sich die Besucher:innen des Milchviehbetriebs selbst überzeugen. Es gibt einen neu gebauten Laufstall, in welchem sich die Kühe (auf dem Hof werden insgesamt 140 Milchkühe und 120 Kälber und Jungrinder, aus eigener Aufzucht, gehalten) frei bewegen können. Die Tiere werden von zwei Melkrobotern gemolken, welche rund um die Uhr im Einsatz sind. Das bedeutet: Die Tiere gehen überwiegend selbstständig zur Melkstation. Pro Jahr gebe jedes Tier rund 10.000 Liter Milch, laut Carsten Frentrup.
„Die Tierhaltung in Deutschland steht vor gewaltigen Umwälzungen“, ergänzt der Landwirtschaftsmeister. In zehn Jahren werde das ganz anders aussehen als heute, denn der Verbraucher erwarte andere Formen der Tierhaltung. „Wir Landwirte entwickeln unsere Betriebe weiter. Aber wir brauchen dafür einen auskömmlichen Preis für die höheren Anforderungen an die Produktion von Lebensmitteln.“
„Und die Margen sind extrem knapp“, fügt Mechthild hinzu. „Der Milchpreis bewegt sich im Centbereich: Wir erhalten 35 Cent je Liter Milch – und hier sprechen wir von Umsatz, nicht von Gewinn. Deshalb sind wir aufgefordert, unsere Produktionskosten so optimal wie möglich zu gestalten. Das geht bei uns dank des Familienbetriebes besser. Mein Schwiegervater füttert die Kälber ohne eine Entlohnung dafür zu erhalten. Er unterstützt den Betrieb nach wie vor, wo er kann.“
Über die Probleme kleinerer Bauernhöfe diskutierten kürzlich auch die Vorstände der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) NRW und des Naturschutzbundes (NABU) NRW während eines Treffens in einem Milchviehbetrieb in Sundern-Hagen. Die Vorsitzende des NABU NRW, Dr. Heide Naderer, hob dabei die positiven Seiten des konventionell geführten Betriebes hervor: „Die hier gelebte, möglichst weitgehende Kreislaufwirtschaft, die konsequent praktizierte Weidehaltung, die an die natürlichen Bedingungen vor Ort angepasste Betriebsgröße und die Direktvermarktung gehören zu einer Wirtschaftsweise, die wir als Naturschutzverband voll unterstützen.“
Gemeinsame Ziele seien der Erhalt bäuerlicher, kleinstrukturierter Betriebe, die auskömmlich wirtschaften und Lebensräume in der Agrarlandschaft erhalten können. Die Forderung nach einer flächengebundenen Tierhaltung, bei der die Anzahl der gehaltenen Tiere an die bewirtschaftete Fläche angepasst ist, gehöre zu den Erfordernissen, die beide Verbände an eine naturschonende Landwirtschaft stellen. Einen engeren Austausch und eine bessere Zusammenarbeit vereinbarten die Teilnehmenden als ein Ergebnis.
Beide Verbände sind sich einig darüber, dass eine große Unterstützung der Weidetierhaltung in der Landwirtschaft nötig sei. Der Kot von Weidetieren, die nicht mit Antiparasitika behandelt wurden, ist Nahrung für viele Insektenarten, die Vögeln als Nahrung dienen. Die Lebensmittelerzeugung auf der Weide trage zum Klimaschutz bei – die CO2-Bilanz der Weidetiere ist im Allgemeinen besser als die CO2-Bilanz insbesondere der Rinder, die ausschließlich im Stall stehen und intensiv mit Getreide gefüttert werden. Und auch beim Tierwohl hat die Weide große Vorteile im Vergleich zur Stallhaltung. Insbesondere eine extensive Weidewirtschaft ist ein wichtiger Baustein im Biodiversitäts- und Insektenschutz: Diese Weiden beherbergen eine große Vielfalt an standortangepassten Pflanzen- und Tierarten.
Wie sieht denn die Klimabilanz auf dem Hof Frentrup aus?
Laut Mechthild Frentrup stimme der Kreislaufgedanke auf dem Hof in Steinhagen: „Wir erzeugen das Futter für die Kühe größtenteils auf unseren eigenen Flächen. Viele Wiesen werden von den Kühen beweidet. Die Gülle der Tiere zum Beispiel kommt als wertvoller Dünger zurück auf die Flächen. Das ist gut für die Humusbilanz und bindet CO2“, sagt sie. Seit elf Jahren werde auf dem Hof ohne Gentechnik gefüttert. Es ist ein Mix aus Gras und Mais, vermengt mit Getreide- und Rapsschrot, der die Grundfutterbasis für die Kühe bildet.
Und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln…
„Als konventioneller Betrieb dürfen wir Pflanzenschutzmittel entsprechend der gesetzlichen Vorgaben einsetzen (sonst wären wir ein Bio-Betrieb). Das tun wir im Ackerbau: eine Herbizid-Behandlung pro Frucht/Saison im Mais und Getreide zur Unkrautregulierung und je nach Krankheitsaufkommen ein bis zwei Fungizid-Behandlungen gegen Pflanzenkrankheiten. Insektizide setzen wir in unserem Betrieb gar nicht ein“, bestätigt Mechthild.
Für das Grünland und insbesondere im Naturschutzgebiet gelten ebenfalls strenge gesetzliche Auflagen, beispielsweise in Bezug auf Abstände an Gewässern und welche Mittel überhaupt zugelassen sind. „Wir verzichten, soweit es möglich ist, auf chemische Mittel und setzen sie, wenn überhaupt nur selektiv gegen bestimmte Pflanzenarten ein, beispielsweise das giftige Jakobskreuzkraut. Im Grünland setzen wir keine Fungizide und eben auch keine Insektizide ein“, betont sie schließlich. Ehemann Carsten ist der Pflanzenschutzexperte im Betrieb. Er nimmt regelmäßig an Schulungen teil, um über die gesetzlichen Vorgaben und aktuelle Änderungen auf dem Laufenden zu bleiben.
„Die Bauern, das sind alles Umweltverschmutzer und Tierquäler!“ Solche Sätze höre die Agraringenieurin und Mutter häufiger und bedauert: „Vielfach wird das große Ganze nicht gesehen von den Leuten. Sie sehen nicht, dass wir Lebensmittel produzieren, die eine sehr hohe Qualität haben und zu einem sehr günstigen Preis zu bekommen sind. Und dass dieses System nur funktioniert, weil wir schauen, dass wir unsere Produktionskosten im Griff haben.“ Das seien jedoch häufig Zwänge, die so nicht gut sind, die anders laufen könnten, wenn für die Lebensmittel mehr bezahlt werden würde.
„Landwirtschaft ist genau wie die Automobilindustrie international verflochten“, schließt Carsten das Gespräch. „Das Produkt, das wir produzieren, unterscheidet sich, wenn man es ins Glas gießt, überhaupt nicht von `nem Liter Milch aus Australien, der Ukraine oder sonst woher. Es ist somit austauschbar, genau wie eine Tonne Getreide oder ein Kotelett. Das ist ein Problem. Wenn wir die Tierhaltung ändern wollen, müssen wir akzeptieren, dass die Lebensmittel teurer werden.“
Naturschutz und Landwirtschaft:
Miteinander reden.
Miteinander ins Gespräch kommen, Fragen zu stellen, Antworten zu erhalten und die Möglichkeit wahrzunehmen, einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise eines konventionell geführten, landwirtschaftlichen Betriebs zu erlangen, das alles sei notwendig und schaffe Transparenz. Davon ist Margret Lohmann, Vorsitzende des NABU Kreisverbandes Gütersloh, überzeugt.
*Die Agrarumweltmaßnahmen und der Vertragsnaturschutz gelten als die wichtigsten Naturschutzinstrumente in der Landwirtschaft. Der Vertragsnaturschutz gilt als Maßnahme, welche besonders positive Effekte für die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt hat. Hierzu zählen die Anlage von Ackerrandstreifen, die Umwandlung von Acker in extensives Grünland sowie die Streuobst- und Heckenpflege.