Rauchschwalben. Foto: Bernhard Schiewe
Düsseldorf – Noch vor kurzem waren Amseln, Meisen, Zaunkönige, Schwalben und Störche intensiv mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Überall war lautes Vogelgezwitscher zu hören und man konnte die Vogeleltern geschäftig hin und herfliegen sehen. Doch jetzt ist es stiller geworden in unserer Kulturlandschaft und in unseren Gärten. „Dies hat aktuell vor allem zwei Gründe“, sagt Christian Chwallek, stellvertretender Vorsitzender und Vogelexperte des NABU NRW. „Zum einen neigt sich die jährliche Brutsaison in Nord- und Mitteleuropa dem Ende zu und die ersten Vogelarten treten wieder ihre Reise Richtung Süden an. Zum anderen beginnt jetzt die Mauserzeit.“
Nach der anstrengenden Brutzeit ist das Gefieder der Elternvögel stark abgenutzt und muss erneuert werden. Deshalb wechseln viele hier überwinternde Vogelarten nun ihr Federkleid. „Da werden aus schwarzen Amselmännchen mit leuchtend gelben Augenringen schon mal struppige Kerle“, so Chwallek. Den Weibchen gehe es nicht besser. Etwa drei bis vier Wochen Zeit benötigten die Tiere für die ‚Runderneuerung‘ ihres Federkleids. In dieser Zeit seien sie oft nur eingeschränkt flugfähig und daher schnell leichte Beute für jegliche Räuber. Deshalb und, weil die Mauser eine sehr anstrengende Prozedur ist, lebten die Vögel, dann sehr zurückgezogen. Da sie zudem ihren Gesang fast vollständig einstellen, seien sie für uns Menschen zumeist „plötzlich verschwunden“. Ab Mitte September haben die meisten Singvögel aber ihre Mauser beendet und tauchen dann auch wieder in unseren Gärten auf.
Gesteuert werde der Mauserprozess nach einem angeborenen Zeitplan durch das Hormon Thyroxin. Jede Vogelart verfüge – vorwiegend unter dem Diktat klimatischer und biologischer Zyklen – über eine auf ihre Bedürfnisse und Lebensweise abgestimmte Mauserstrategie. „Die Mauser ist für alle Vögel unvermeidlich, weil sich ihr Gefieder abnutzt“, erklärt der NABU-Vogelexperte. Exakt an der Stelle, wo die alte Feder gesessen hätte, entstehe eine passende neue. Gleichzeitig werden so auch Farben und Muster des Gefieders erneuert.
Der weitere aktuelle Grund für das Verschwinden unserer heimischen Singvögel ist der Beginn des herbstlichen Vogelzugs. Chwallek: „Die Mauersegler haben bereits Anfang August als erste ihre Brutgebiete Richtung Afrika verlassen, wo sie südlich der Sahara überwintern werden. Das sind viele tausend Kilometer für die kleinen Vögel. Den Startimpuls für den Abflug geben unter anderem die abnehmende Tageslänge und das schwindende Nahrungsangebot.“ Den Mauerseglern folgten im August Nachtigall, Grasmücken, Kuckuck, Wespenbussard, Gartenrotschwanz und die Störche. Im September starten neben Rauchschwalben und Buchfinkenweibchen auch Fischadler in ihre Winterquartiere.
Zur Hauptzugzeit Anfang Oktober verlassen laut Expertenschätzungen jährlich mehr als 50 Millionen Zugvögel ihre Brutgebiete in Deutschland, um eine Reise in wärmere Gefilde anzutreten. Eine noch größere Zahl wird Deutschland und damit auch Nordrhein-Westfalen überqueren und dabei an geeigneten Rastplätzen wie dem ‚Unteren Niederrhein‘, der ‚Weserstaustufe Schlüsselburg‘ oder den ‚Rieselfeldern Münster‘ auftanken, weiterziehen oder aber hier den Winter über Station machen.
„Allerdings gibt es neben den aktuellen Gründen für ‚wenig Vögel‘ auch einen generellen Grund“, so der NABU-Ornithologe weiter. In den vergangenen 30 Jahren hat Europa rund 450 Millionen Vögel verloren. Ein Hauptgrund dafür ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, der Gülle und den Spritzmitteln. Da, wo es keine Insekten mehr gebe, könnten eben auch Vögel sich nicht mehr dauerhaft ausreichend vermehren. Diesen massenhaften Verlust merke man inzwischen auch in den Gärten.