Insektensommer-zählung – Hummeln haben den Hintern vorn!

Quelle: Nabu-Grafik

Über 18.000 Menschen nutzten im fünften Jubiläumsjahr des NABU Insektensommers die Möglichkeit, Insekten zu zählen und die Daten dem NABU zur Verfügung zu stellen. Acker-, Stein- und Erdhummel wurden auch durch die Entdeckungsfrage besonders fleißig gemeldet.

Diese Dunkle Erdhummel hat gemeinsam mit Acker- und Steinhummel die Beobachtungslisten der Insektenfans gestürmt - Foto: Stephan Haertel

Diese Dunkle Erdhummel hat gemeinsam mit Acker- und Steinhummel die Beobachtungslisten der Insektenfans
gestürmt – Foto: Stephan Haertel

29. August 2022 – Seit fünf Jahren werden jedes Jahr im Juni und August tausende Menschen zu Hobbyforschern. In diesem Jahr besonders im Fokus: Acker-, Erd- und Steinhummel. „Kannst Du Hummeln am Hintern erkennen?” lautete die Entdeckungsfrage für die Teilnehmenden, die zum ersten Mal genauer bei Insekten hinschauten. Insgesamt haben sich in den beiden Zählzeiträumen im Juni und August über 18.300 Menschen beteiligt. Damit zählten über 5.000 Hobbyforscher mehr als im Sommer 2021 mit. Gesamtsieger und damit den Hintern vorn haben die Hummeln. Acker-, Stein- und Erdhummel wurden auch durch die Entdeckungsfrage fleißig gemeldet.

Leif Miller - Foto: NABU/Jens Koch
Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer

„Dass auch in diesem Sommer wieder so viele Menschen Insekten beobachten und zählen, freut uns außerordentlich. Auch im fünften Jahr der Aktion scheint das Interesse an den Sechsbeinern nicht nachzulassen. Das ist wichtig, denn der Schutz der Insekten ist zwingend notwendig, gerade mit Blick auf die Biodiversität. Und man schützt nur, was man kennt.“

Die fünf meistgezählten Insekten im Porträt

Weit vorne im Ranking landet der Kleine Fuchs, den man gut an seinen farbenprächtigen orange-braunen Flügeln erkennen kann. Er flattert an die Spitze der vielen Falter, die in diesem Jahr gesichtet wurden. Neben ihm trifft man in diesem Jahr auch häufiger auf einen tagaktiven Nachtfalter: das quirlig-fröhliche Taubenschwänzchen. Die langrüsseligen Falter, die im Flug an Kolibris erinnern, ließen sich bereits im Frühjahr zahlreich blicken, gute Überwinterungsbedingungen machten das möglich. Doch die fünf Arten mit den häufigsten Meldungen waren andere.

Der NABU-Insektensommer ist eine gemeinsame Aktion von NABU und seinem bayerischen Partner, dem Landesbund für Vogelschutz. Die Daten der Zählaktion werden in Zusammenarbeit mit der Plattform www.naturgucker.de erfasst. Eine genaue Auswertung der Daten erfolgt im Herbst. Dann werden die Datensätze der vergangenen fünf Jahre detailliert unter die Lupe genommen und es erfolgt eine Einordnung der Trends.


Kolibris statt Wespen

Zwischenbilanz der Insektensommer-Zählung

Erste Zahlen und Tendenzen der zweiten Zähletappe liegen jetzt vor: Bereits 29.000 Beobachtungen von über 3.000 Orten wurden gemeldet. Dabei auffällig: die häufige Sichtung von Taubenschwänzchen. Noch bis zum 21. August können Nachmeldungen eingetragen werden.

Taubenschwänzchen an Sommerflieder - Foto: Josef Alexander Wirth/www.naturgucker.de
Taubenschwänzchen an Sommerflieder – Foto: Josef Alexander Wirth/www.naturgucker.de

12. August 2022 – Aktuell führen Hummeln und Kleiner Fuchs die Beobachtungslisten an, während die Wespen bisher unauffällig bleiben. Viele Tagfalter scheinen den Saisonhöhepunkt schon hinter sich zu haben. Oder kommt da noch was? Noch bis zum 21. August können Nachmeldungen im Online-Formular eingetragen werden.

Geht es nach den Besuchszahlen auf der NABU-Homepage, müsste das Taubenschwänzchen Deutschland häufigstes Insekt sein. Keine Seite wird momentan häufiger aufgerufen als das Porträt des munteren Schmetterlings mit dem kolibrigleichen Schwirrflug. Tatsächlich kann man dem Taubenschwänzchen im Sommer 2022 besonders oft begegnen. Bereits im Frühjahr waren wegen guter Überwinterungsbedingungen ungewöhnlich viele Taubenschwänzchen zu sehen. Jetzt ist pünktlich zur zweiten Insektensommer-Etappe die nächste Generation der langrüssligen Nachtfalter unterwegs.

Zur Goldmedaille wird es für das Taubenschwänzchen dennoch nicht reichen, aber die Top Ten in der Zwischenwertung zu erreichen ist ein beachtliches Ergebnis. Wobei es sicher eine ganze Reihe mindestens genauso häufige Insektenarten gibt, die beim Insektensommer weit hinten platziert sind oder erst gar nicht gemeldet wurden. Selbst Fachleuten sind viele der 30.000 heimischen Insektenarten unbekannt, andere sind ebenso schwer zu entdecken wie zu bestimmen. Wer bunt oder groß oder verhaltensauffällig ist, hat bei der Zählung klare Vorteile.


Weitere Erkenntnisse der Insektenzählung

Kohlweißling und Kleiner Fuchs: So geht es den Schmetterlingen

Das Taubenschwänzchen wurde bereits erwähnt. Häufigster Schmetterling 2022 wird aber mit ziemlicher Sicherheit der Kleine Fuchs. Aktuell liegt er mit Beobachtungen von fast 40 Prozent der Zählorte hinter den drei Entdeckungsfragen-Hummeln auf Rang 4 aller Insekten. Nach jahrelanger Durststrecke war er bereits im Juni erstmals die am häufigsten gesehene Schmetterlingsart. Daten des niederländischen Faltermonitorings zeigen, dass die Bestände des Kleinen Fuchses genau während der Insektensommerzählung ihren Höhepunkt hatten. Das dürfte auch in weiten Teilen Deutschlands so gewesen sein.

Während der Kleine Fuchs seine gute Form in der Hochsommergeneration bewahrt hat, zeigen viele andere Tagfalter bestenfalls Normalwerte. Das gilt für Tagpfauenauge und Admiral genauso wie die für die Kohlweißlinge. Im Frühsommer standen sie noch sehr gut da. Hat die Trockenheit die Raupenfutterpflanzen doch zu sehr geschädigt? Das Hoch beim Kleinen Fuchs – wie Admiral und Tagpfauenauge Brennnesselliebhaber – spricht dagegen. Wahrscheinlicher ist, dass die Hochsommergeneration 2022 besonders früh entwickelt war und jetzt bereits am Abklingen ist. Dennoch kann sich die Trockenheit noch massiv auswirken. Auf die Generation, die sich in Kürze entwickelt und dann überwintert. Eine Antwort werden wir erst im Frühjahr haben.

Klimakrisengewinner: Holzbiene, Gottesanbeterin und Segelfalter

Auch wenn der Insektensommer bereits im fünften Jahr läuft, lässt sich daraus noch nichts über die generelle Entwicklung der Insektenbestände ablesen. Dazu muss die Zeitreihe viel länger werden; die natürlichen Schwankungen in Insektenpopulationen sind enorm und die Bewegungen gehen oft über viele Jahre. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Klimakrise. Dank rascher Generationenfolge und hoher Mobilität zeigen sich Änderungen bei den Insekten aber vergleichsweise früh. Außerdem wissen wir aus vielen weiteren Daten, welche Arten in Deutschland zu erwarten sind, beziehungsweise in welchen Regionen. Und da zeigen sich eine ganze Reihe Arten neu oder in Ausbreitung.

Prominentes Beispiel ist die Blauschwarze Holzbiene. Unsere größte heimische Wildbiene hat sich nur fünf Jahren der Insektenzählung von Rang 50 in die Top 10 katapultiert. Im Zwischenstand August 2022 ist es sogar der 6. Platz. Immerhin unter den Top 100 sind aktuell Segelfalter, Gottesanbeterin und Grüne Reiswanze. Die Gottesanbeterin hat ihren Schwerpunkt nach wie vor im Südwesten, vor allem am Oberrhein, aber auch in den Sommerwärmegebieten Sachsen-Anhalts und Brandenburgs, einschließlich Berlin. Der Segelfalter wird vor allem aus Ostsachsen und Südbrandenburg gemeldet, während die Grüne Reiswanze noch in Süd- und Westdeutschland verharrt.

Nord-Süd-Gefälle oder alles gleich?

Für die häufigsten Arten zeigt die Ergebniskarte des Insektensommers eine deutschlandweite Verbreitung. Erdhummeln gibt es nun mal fast überall. Doch bereits in den Top 10 zeigen sich Lücken. So ist die Holzbiene im mittleren und nördlichen Niedersachsen, in Schleswig-Holstein, Nordbrandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor recht selten, ebenso im Voralpenraum.

Das Taubenschwänzchen wiederum ist in Baden-Württemberg besonders stark, lückenhaft dagegen in NRW und in Teilen Norddeutschlands. Der Distelfalter dagegen macht sich nach einem guten Frühsommer jetzt relativ rar, kommt aber bis in den hohen Norden vor. Was daran liegt, dass die Distelfalter generationenübergreifend ununterbrochen wandern; bis nach Skandinavien und dann wieder zurück nach Afrika.

Auch bei den mittelhäufigen Arten kommt die Mehrzahl in der ganzen Republik vor. Manche sind aber im Süden doch eher vertreten als im Norden. Das gilt etwa für den Schwalbenschwanz  – mit einem recht guten Jahr –, der in der norddeutschen Tiefebene weitgehend fehlt, aber auch für vermeintliche Allerweltsarten wie Haus-Feldwespe, Kleines Wiesenvögelchen und Großes Ochsenauge. Der farbenprächtige Russische Bär schafft es ebenfalls nur bis zur Mitte Deutschlands, dann ist Schluss.

Insektensommer-Ergebnisse im Detail

Welcher Krabbler wurde wo wie häufig gemeldet? In der Auswertungstabelle werden die Beobachtungsdaten aufgeschlüsselt. Wir bieten unter anderem einen ausführlichen Überblick über die Top-100-Arten, Meldungen und Bundesländer.


Zähl mit! – So geht’s

Mitmachen ist ganz einfach: Es reicht, sich für eine Stunde an einem sonnigen, eher windstillen Tag einen schönen Platz zu suchen. Der kann im Garten, im Wald, auf der Wiese oder am Wasser liegen. Fokussieren Sie sich auf einen Umkreis von etwa zehn Metern und notieren sie, was sie sehen. Etwas leichter wird es mit diesen Hilfsmitteln:

  • Lupe
  • Bestimmungsbuch
  • Zählhilfe
  • Kamera (um Ihre schönen Beobachtungen auch festzuhalten)

Keine Panik, wenn Ihnen auch mal ein Insekt entwischt, bevor Sie es erkennen oder Sie es nicht bestimmen können! Wichtig ist nur, dass Sie einen Modus finden, in dem Sie Freude an der Aktion haben:

Für Einsteiger:innen

Am Anfang kann es hilfreich sein, sich auf eine Art zu fokussieren. Deshalb gibt es die Entdeckungsfrage. In diesem Jahr möchten wir von Ihnen wissen: Welche Hummeln entdecken Sie und wie viele? Hier finden Sie eine

Hummeln am Hintern erkennen? So geht's! Grafik: NABU

Für Fortgeschrittene

Mit dieser Zählhilfe ist Mitmachen beim Insektensommer ganz einfach - Foto: NABU/Helge May

Mit der Zählhilfe loszuziehen bedeutet, den Blick zu weiten: Wir haben Ihnen ein Blatt mit acht der häufigsten Insekten vorbereitet. So können Sie Ihre Beobachtung bildlich abgleichen und darunter eintragen, wie viele Sie von der jeweiligen Art gesehen haben. Darüber hinaus gibt es Freifelder. Hier können Sie alle weiteren Arten eintragen, die Sie sehen und bestimmen können. Hierfür kann bei Bedarf die Bestimmungshilfe für Insekten genutzt werden.

Selbst genau hinschauen macht am meisten Freude - Foto: NABU/Iris Barthel

Für Profis

Natürlich können Sie auch ganz auf eigene Faust zählen. Mit dem eigenen Bestimmungsbuch oder der Online-Bestimmungshilfe für Insekten in der Hand notieren Sie Ihre Beobachtungen frei. Vielleicht gelingen Ihnen sogar ein paar besondere Aufnahmen, die Sie über naturgucker.de mit uns teilen wollen?

Wichtig für alle: Beobachtungen melden!

Ihre Beobachtungen können Sienach der Zählung in unserer Web-App online eintragen. Hier interessiert uns: Wo haben Sie beobachtet? An welchem Tag? Und natürlich: Arten und Anzahl der von Ihnen entdeckten Insekten. So tragen Sie dazu bei, besser zu verstehen, wie es den Hummeln, Bienen, Schmetterlingen und Käfern in unserer Umgebung geht.