Wintervögel machen sich auch in NRW rar

Eichelhäher wurden in diesem Jahr seltener gesichtet – Foto: Lutz Klapp/www.naturgucker.de

Podcast von Martina Vogt

Endergebnis der 13. „Stunde der Wintervögel“ bestätigt Prognosen

Die „Stunde der Wintervögel“ 2023 ist abgeschlossen. Bei der großen NABU-Zählaktion wurden dieses Mal deutlich weniger Vögel gesichtet. Bei der aktuellen Witterung wenig verwunderlich, eine Entwicklung kann aber gefährlich für Wald und Vogelwelt werden.

25. Januar 2023 – 2,3 Millionen. So viele Vögel wurden in diesem Jahr gesichtet bei der 13. „Stunde der Wintervögel“. Das Endergebnis der Zählaktion belegt mit Blick auf bestimmte Vogelarten auch eine konkrete Vermutung.

Mehr als 99.000 Menschen haben sich nicht abschrecken lassen und trotz Regen und weniger Betrieb an den Futterstellen Vögel gezählt“, bedankt sich NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller bei den Teilnehmenden. In knapp 68.000 Gärten wurden Vögel gesichtet und gemeldet.

Waldvögel und Wintergäste seltener zu Gast

Auswertungsgrafik Eichelhäher-Sichtungen (2011-2023). Copyright: NABU/publicgarden, Willi Rolfes, Adobe Stock/Ortis

Was sich schon während des Wochenendes abgezeichnet hatte, wurde durch das Endergebnis jetzt bestätigt: Es kamen 2023 weniger Vögel an die Futterstellen als im Vorjahr. Auch NABU-Ornithologe Martin Rümmler hatte bereits im Vorfeld vermutet, dass aufgrund des milden Winters weniger Vogelarten die Futterhäuser ansteuern, da sie in der freien Natur derzeit genügend Nahrung finden. Im Schnitt wurden 33,4 Vögel pro Garten gemeldet, 2022 waren es noch 35,5.

Auch Leif Miller verweist auf den milden Winter, der dafür gesorgt hat, dass typische Wintergäste aus Nord- und Osteuropa nicht nach Deutschland gezogen sind. Dazu zählt zum Beispiel der Bergfink, der sich regelmäßig im Winter als Gast unter die heimischen Finken mischt.

Aus den Wäldern kamen einige Arten auch seltener an die Futterstellen. Neben Kernbeißer, Buntspecht und Buchfink wurde in diesem Jahr besonders selten der Eichelhäher gesichtet. Ein Grund dürfte dabei das vergangene Mastjahr der Bäume gewesen sein. Durch die große Fülle an Baumfrüchten bleiben die Vögel eher im Wald und kommen seltener in die Siedlungen.

Schon einmal im Kalender notieren:

Die nächste Vogelzählung findet vom 12. bis 14. Mai mit der „Stunde der Gartenvögel“ statt.

Der Eichelhäher wurde mit im durchschnittlich 0,35 Exemplaren pro Garten so selten gesichtet wie noch nie bei der Stunde der Wintervögel. Im vergangenen Jahr waren es mit 0,64 Eichelhähern pro Garten fast doppelt so viele, im Schnitt wurden in der Vergangenheit pro Garten 0,56 gemeldet.

„Es ist zunächst einmal nicht problematisch, wenn weniger Vögel in die Gärten kommen“, so Miller mit Blick auf das Mastjahr. Allerdings gebe es Mastjahre in immer kürzeren Abständen. Vermutliche Ursache ist die Klimakrise. „Das kann die Bäume auszehren und so auf lange Sicht auch zum Problem für unsere Vogelbestände werden“, warnt der NABU-Bundesgeschäftsführer. Mastjahre sind Jahre, in denen Bäume besonders viele Früchte ausbilden. In diesen Jahren finden dann auch Waldvögel besonders viel Nahrung auf dem Boden.

An der Spitze der Rangliste gab es keine Veränderungen: Auf den ersten drei Plätzen liegen wie im vergangenen Jahr Haussperling, Kohlmeise und Blaumeise. Es folgen Amsel, Feldsperling, Elster und Buchfink.

Sehr viel häufiger als 2022 wurde bundes- wie landesweit die Türkentaube gemeldet: Ein Plus von 27 beziehungsweise 30 Prozent. „Sie zeigt insgesamt eine ansteigende Tendenz in den letzten Jahren. Als Profiteur steigender Temperaturen brütet die Art wahrscheinlich immer erfolgreicher in den warmen Sommern“, vermutet Jonas Brüggeshemke, Sprecher des Landesfachausschusses Ornithologie im NABU NRW. Auch der Zaunkönig wurde mit einem Plus von rund 40 Prozent deutlich häufiger gezählt. „Der kleine Vogel fühlte sich auch schon in den vergangenen Jahren in frostarmen Regionen besonders wohl“, so der NABU-Ornithologe.

Die „Stunde der Wintervögel“ fand bereits zum 13. Mal statt. Alle Ergebnisse zur Vogelzählung in NRW sind unter https://nrw.nabu.de/stundederwintervoegelnrw/ zu finden.

Die bundesweiten Ergebnisse im Detail gibt es unter: www.NABU.de/sdw-ergebnisse


Zwischenergebnisse der Zählaktion

10. Januar 2023 – Weit über 70.000 Vogelfreund:innen haben sich inzwischen schon beteiligt. „Das wenig zu Vogelbeobachtungen einladende nasskühle Wetter hat sich auch auf die Teilnehmendenzahlen ausgewirkt“, zieht NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller eine Zwischenbilanz.

Witterungsbedingungen wirken sich unterschiedlich aus

Trends, die schon während des Wochenendes auffielen, scheinen sich unterdessen zu verfestigen: Weiterhin wurden überdurchschnittlich viele Gänse gesichtet und gemeldet. Vögel, die vor allem in Wäldern heimisch sind, wurden seltener gezählt – vor allem der Eichelhäher war offensichtlich seltener zu Gast am Futterhaus.

Insgesamt wurden weniger Vögel pro Garten beobachtet, was die Expert:innen des NABU nicht verwundert: Die milden Witterungsbedingungen am Wochenende selbst und auch zuvor dürften dafür gesorgt haben, dass viele Vögel genügend Futter außerhalb der Siedlungen in der freien Natur finden. Sie haben also keinen Anlass, die Futterstellen aufzusuchen.

Die steigenden Temperaturen könnten außerdem der Grund sein, warum Zaunkönig und Türkentaube deutlich häufiger gesichtet wurden: Der kleine Zaunkönig fühlt sich besonders in frostarmen, küstennahen Regionen in Deutschland wohl und wurde besonders häufig in Schleswig-Holstein gesichtet. Die Population der Türkentaube hingegen könnte von den warmen Sommern profitiert haben, in denen die Art erfolgreicher brütet.


08. Januar 2023 – Das Zählwochenende bei der Stunde der Wintervögel biegt auf die Zielgrade ein: Am Sonntag waren wieder viele Vogelbeobachter:innen besonders fleißig. An über 35.000 Gärten, Parks und Futterstellen wurden bisher Vögel beobachtet, gezählt und an den NABU gemeldet.

Die Zahl von einer Million gesichteten Vögeln wurde schon gegen Mittag geknackt – allein auf die Top drei, Haussperling, Kohl- und Blaumeise, entfielen schon über eine halbe Million Sichtungen.

Der Namensvetter des Zählkönigs, der Feldsperling, kann hinter der Amsel den fünften Platz bisher deutlich verteidigen – dennoch bereitet er den Ornitholog:innen Sorgen. Denn die Anzahl der Sichtungen ist kontinuierlich zurückgegangen. „Das könnte durchaus mit der Abnahme der Brutbestände der vergangenen Jahre zu tun haben“, schlussfolgert NABU-Experte Martin Rümmler. Während sich der Haussperling üblicherweise in der Nähe von Städten und Dörfern aufhält, ist der kleinere Feldsperling eher auf Feldern und an Waldrändern zuhause. Damit ist er deutlicher vom Nahrungsangebot in unserer Agrarlandschaft abhängig, in direkter Konkurrenz am Futterhaus wird er von seinem Namensvetter verdrängt.

Pro Garten wurden 34 Vögel gemeldet, was einen deutlichen Rückgang zum Vorjahr bedeutet – und wie prognostiziert mit dem milden Winter in Zusammenhang gebracht werden kann. Das Nahrungsangebot in der Natur ist für viele Vögel so umfangreich und gut erreichbar, dass sie sich offensichtlich nicht am Futterhaus blicken lassen.


07. Januar 2023 – Auch am zweiten Tag der großen Vogelzählung haben viele fleißige Beobachter:innen Futterhäuser und Futterstellen im Blick behalten und dem NABU tausende Sichtungen von Amsel bis Zaunkönig gemeldet.

Buchfink.

Buchfinken wurden in diesem Jahr seltener gesichtet. – Foto: Peter Trentz/www.naturgucker.de

Während insgesamt bisher nur etwas weniger Vögel an den Futterhäusern gezählt wurden im Vergleich zum Vorjahr, sieht NABU-Ornithologe Martin Rümmler bei „Waldarten“ wie Eichelhäher und Buchfink einen deutlicheren Rückgang. Einer der möglichen Gründe: Viele Bäume waren 2022 in einem Mastjahr und haben in der Zeit viele Früchte gebildet. Das beschert den Vögeln bis jetzt viel Futter vor ihrer Haustür und sie fliegen auf Nahrungssuche seltener in die Siedlungen.

Mehr Bewegung gibt es hingegen bei den Gänsen: Graugänse, Blässgänse und Nonnengänse wurden unter anderem bedeutend häufiger gezählt. „Das hat sehr wahrscheinlich mit den milden Temperaturen zu tun“, schätzt Vogelexperte Rümmler mit Blick auch auf die Beobachtungen der vergangenen Wochen. Im frostigen Dezember wurden Gänse demnach wesentlich seltener gesichtet, sind bei den aktuellen Temperaturen aber wohl wieder aktiver und damit sichtbarer.

Bisher wurden dem NABU bis Samstagabend schon über eine halbe Million Vögel in über 14.000 Gärten gezählt – von knapp 20.000 Vogelbeobachter:innen.


Düsseldorf – Zweistellige Plusgrade zum Jahresbeginn: Selten war es zur traditionellen Wintervogelzählung von NABU und seinem Bayerischen Partner LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) so mild wie jetzt. „Die milden Temperaturen bescheren unseren Wintervögeln eine entspanntere Nahrungssuche. Ohne Frost und Schnee finden sie ihr Futter leichter in der Natur – daher werden wir wahrscheinlich weniger Besucher und Arten an den Futterstellen zählen. Das haben wir bereits früher in milden Wintern beobachten können“, sagt Christian Chwallek, stellvertretender Vorsitzender des NABU NRW. „Dazu kommt noch, dass durch das Mastjahr Eichen, Buchen, Fichten und Co. viele Früchte gebildet haben. Für Arten wie Kleiber, Eichelhäher, Kernbeißer und Finken ist das wie ein Schlaraffenland. Möglicherweise bleiben sie deshalb eher im Wald und kommen nicht so oft in die Siedlungen.“

Die „Stunde der Wintervögel“ ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion. Bei der vergangenen Vogelzählung im Januar 2022 ergatterte der Haussperling den Spitzenplatz als häufigster Wintervogel in Deutschlands wie in nordrhein-westfälischen Gärten, Kohlmeise und Blaumeise folgten auf Platz zwei und drei. Mehr als 176.000 Menschen haben bundesweit mitgezählt, in Nordrhein-Westfalen waren es über 32.000. Die anhaltend hohe Beteiligung an der Aktion zeigt, wie groß das Interesse an der heimischen Natur ist.