Jedes Jahr verwandelt die Obstbaumblüte den Langenberg im Kreis Gütersloh in ein Blütenparadies. Foto: M. Vogt
Familie Venker-Metarp erhält Auszeichnung vom NABU für ihre vorbildliche Streuobstwiese
Von Martina Vogt
Kreis Gütersloh: Genau zur richtigen Zeit sind wir zu Besuch auf dem Hof von Familie Venker-Metarp. Genau richtig zur Kirschblütenzeit. Mit einem offenherzigen Lächeln empfängt Landwirt Stefan Venker-Metarp den NABU auf seinem Hof in Langenberg – passend zum europaweiten Tag der Streuobstwiese am 28. April. Seine Freude? Berechtigt. Denn Dorothea Leyrer, Projektleiterin des Netzwerkes Streuobstwiesenschutz NRW und Margret Lohmann, Vorsitzende des NABU Kreisverband Gütersloh, loben den Landwirt: Seine Streuobstwiese erfüllt alle neun Punkte aus dem Kriterienkatalog, auf dessen Grundlage der NABU beurteilt, ob eine Streuobstwiese vorbildlich ist. „Und diese hier erfüllt all unsere Kriterien bei weitem“, so Leyrer.
Stefan Venker-Metarp ist stolz auf die vorwiegend alten Obstsorten, die auf seiner über einen Hektar großen, extensiv bewirtschafteten Wiese gedeihen. Der selbst ernannte Apfelliebhaber beißt am liebsten in einen saftigen Winterglockenapfel oder in einen fruchtig-säuerlichen Winterapfel, den Ontario. Letzterer ist laut Venker-Metarp ein super Apfel, lange lagerfähig und eignet sich perfekt für Kompott. Weniger mag er den Schöner aus Wiedenbrück, gesteht er, denn der halte nicht wirklich lange und werde nach der Reife schnell mehlig.
Streuobstwiesenbestand auf dem Langenberg. Fotos: Martina Vogt
Dass besonders Allergiker von den alten Obstsorten profitieren, könne man nicht oft genug wiederholen, so der Landwirt. „Es stand schon oft in der Zeitung, aber es gibt immer noch Menschen, die überrascht sind zu hören, dass die alten Sorten – vor allem Äpfel – für Allergiker problemlos gegessen werden können.“ Kaufen kann man viele schmackhafte Früchte auch in seinem Hofladen oder auf dem Wochenmarkt in Langenberg. Die meisten seiner geernteten Früchte werden jedoch zu Saft verpresst.
Alt wie ein Baum…
In aller Seelenruhe greift der routinierte Landwirt zu seinem Smartphone, um dem Nachbarn mitzuteilen, dass dessen Kuh genau jetzt im Begriff ist zu kalben. „Früher hatten wir selber Milchvieh. Gegen Ende der 80er Jahre wurden viele Naturschutzgebiete in NRW ausgewiesen. Und Anfang der 90er wurden zwei Landwirte im Kreis Gütersloh gesucht, die als Mittelsmänner zwischen Behörde und Landwirtschaft fungierten. Einer davon wurde ich, der zweite ist bereits in Rente.“ Das war der Zeitpunkt, als der heute 55-Jährige in den Nebenerwerb ging und den Milchviehbetrieb abschaffte. „Unsere Wiese war plötzlich frei, und weil ich Spaß dran hatte, fing ich einfach mal mit zwei Reihen Obstbaumanpflanzung an.“
Die ältesten auf dieser Wiese stehenden Bäume gibt es schon seit 1914. Ganze 80 Jahre später pflanzte Familie Venker-Metarp 35 neue Obstbäume. Weitere Anpflanzungen folgten in 2000 und 2005. Heute zählen wir rund 90 Obstbäume auf der Plantage, darunter Kirsche, Pflaume, Mirabelle, Reneklode, Apfel, Birne und auch Walnuss. „Ab und an geht ein alter robuster Baum auch mal in die Wicken, aber das ist selten“, ergänzt der Landwirt und lächelt zufrieden. Er setzt seine Rede fort. Und er hat viel zu erzählen. Viel Wissen über alte Obstsorten, Ackerbau und das Verhältnis von Glück und Durchhaltevermögen. Denn die Verwertung der Ernte ist immer fraglich. „Geduld und Freude an dem Ganzen muss man schon haben“, sagt er. Auf die Frage, was er gegen Maden, zum Beispiel in den Kirschen mache, antwortet er: „Hoffen! Mein Vorteil ist, dass ich verschiedene Obstsorten hab’. Manche Blühzeitpunkte sind besser, damit die Maden da nicht drangehen. Tendenziell sind die späten Sorten, also die, die später blühen, eher befallen. So jedenfalls war es bei uns in den vergangenen Jahren.“
Streuobstwiesen zählen seit Jahrhunderten zu den landschaftsprägenden Elementen unserer Kulturlandschaft. Für rund 3.000 Tier- und Pflanzenarten sind sie ein bedeutender Lebensraum. Und sie selbst verfügen mit über 1.000 Obstsorten über eine enorme genetische Vielfalt. Mit dem Erhalt alter Obstsorten und der Pflege vieler Streuobstwiesen in NRW leisten viele Aktive einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der heimischen Artenvielfalt.
Bienenstöcke und ein Instektenhotel auf Venker-Metarps Streuobstwiese. Fotos: M. Vogt
Über 1.000 Obstsorten gibt es also noch. „Oh ja! Und in puncto Geschmack sind die alten Sorten vielfältiger. Sie schmecken besonders fruchtig oder besonders sauer. So eine Geschmacksvielfalt gibt es nicht im Supermarkt zu kaufen“, so der Landwirt. Wo Obstbäume sind, da sind auch die selten gewordenen Wildbienen zu finden, für die der Langenberger Landwirt eine Behausung geschaffen hat. So finden sich mehrere Bienenstöcke auf der Wiese und ein Insektenhotel. „Streuobstwiesen sind deshalb so wichtig, weil sie die Artenvielfalt fördern und zum Beispiel dem selten gewordenen Steinkauz genügend Nahrung und Nistplätze in den Astlöchern der Bäume bieten“, bestätigt die Vorsitzende des NABU KV Gütersloh, Margret Lohmann.
Geschnitten werden die Bäume übrigens nach dem Oeschbergschnitt. Mit dieser Methode erzieht man großkronige Obstbäume und sie bekommen ein stärkeres Gerüst. Aber selber schneiden? „Das ist gar nicht so leicht, wie es aussieht“, gibt der Landwirt zu bedenken. „Ein Obstbaumschnitt dauert locker mehrere Stunden pro Baum, wenn man es gündlich macht. Das machste nicht mal eben so!“ Der bekannte Pomologe Hans-Joachim Bannier und sein Team schneiden bei ihm. „Das professionelle Schneiden der Bäume, das macht die meiste Arbeit“, so der Landwirt. Zu wenig Wissen gebe es auf der Fläche, wie man Obstbäume schneiden kann, fügt Dorothea Leyrer hinzu. „Und es gibt zu wenig Fachkräfte. Das ist oft ein Grund, warum so viele Obstbaumwiesen zerfallen.“ Obstgehölze werden im Herbst oder Frühjahr geschnitten, wenn es frostfrei ist und der Saft noch nicht aufgestiegen ist. Kirschen hingegen werden nach der Ernte beschnitten.
Weitere Tipps dazu gibt es hier.
Wer sich seine Streuobstwiese ebenfalls auszeichnen lassen möchte, der kann sich an diesen Vorgaben des NABU orientieren: Es braucht neun Obstbäume, die Streuobstwiese sollte eine Größe von mindestens 1.500 m² haben. „Es sollten Hochstämme sein, denn hier liegt der Kroneneinsatz bei 1,80 m. Es dürfen keine Pestizide und sonstige giftige Düngemittel verwendet werden. Besonders wichtig für die Auszeichnung einer Streuobstwiese ist, dass die Obstbäume gut gepflegt werden. Sonst leben sie eben nicht 100 Jahre lang. Für ein langes Leben der Bäume braucht es ein stabiles Kronengerüst“, so Leyrer weiter.
Erst Rinder, dann Schafe, dann ich
Zwei Möglichkeiten gibt es, die Wiese rund um die Obstbäume zu nutzen: die Wiese mähen oder Tiere darauf weiden zu lassen. „Findet auf Ihrer Wiese auch eine Unternutzung statt, wird die Wiese gemäht?“, will Projektleiterin Leyrer noch wissen. „Wir haben erst mit Rindern angefangen, es war jedoch schwierig die Bäume vor den Rindern zu schützen. Dann hatten wir Schafe darunter, bis der Schafbock einmal meine Mutter anfiel“, erzählt uns Landwirt Stefan Venker-Metarp. Seitdem sei das Thema Schafe sehr negativ besetzt. „Und seitdem mähe ich die Wiese selbst, zweimal im Jahr.“
Und was sagt des Landwirts Nachwuchs? Venker-Metarps Tochter studiert aktuell Landschaftsökologie in Greifswald, sie interessiert sich sehr für regenerative Landwirtschaft. „Die jüngere Generation von Landwirten ist bezüglich regenerativer Landwirtschaft sehr offen. Sie merken, dass die normale Landwirtschaft an ihre Grenzen kommt. Die regenerative Landwirtschaft ist eine Variante, wo man dem Boden wirklich etwas Gutes tun kann. Hier liegt der Schwerpunkt stark auf Ackerbau, Humusaufbau, Bodenvitalität und -leben“, bringt es der Familienvater auf den Punkt und fügt hinzu: „Je mehr Bodenleben, umso vitaler ist der Boden, umso besser gedeihen auf diesem Boden die Pflanzen. Je vitaler die Pflanzen, je robuster sind sie gegen Schädlinge, gegen Pilzkrankheiten. Die Vielfalt im Boden macht’s und die Vielfalt auf dem Acker selber!
Manche Dinge kann man vielleicht nicht miteinander mischen und zusammen anbauen, weil es mit den Erntezeitpunkten nicht passt.“ Grundsätzlich sei ein Gemisch für den Boden immer besser.„Wenn ich nur Weizen oder nur Gerste anbaue, ist das für diese Arten vielleicht optimal, aber wenn danach andere Pflanzen auf diesem Boden gedeihen sollen, muss sich das ganze Konstrukt erst wieder umbilden. Habe ich aber sofort ein Gemisch an Pflanzensorten angebaut, fühlt sich auf diesem Boden eine Zwischenfrucht viel schneller wohl und fängt vielleicht auch schneller an zu wachsen“, so der Landwirt.
Sonntags ‘ne Stunde unter einen Baum legen…
Was für den Familienvater die größte Freude ist, darauf antwortet er: „Das Ernten ist immer genial. Man sieht erst einmal die Bäume wachsen und blühen. Die Tierwelt gerade jetzt im Frühling erwacht. Wär’ die Straße nicht da, dann könnten wir das Zwitschern der Vögel noch deutlicher hören. Aber das Schönste ist: Man kann sich sonntags ‘ne Stunde unter einen Baum legen. Einfach mal machen. Das ist es, was es besonders macht“, und ein Lächeln in Venker-Metarps Gesicht lässt erahnen, wie gut es tut, so oft mit und in der Natur sein zu dürfen.
Das „Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW“ setzt sich seit 2017 für den Schutz und Erhalt sowie die Pflege und Neuanlage von Streuobstwiesen in Nordrhein-Westfalen ein. Weil viele Streuobstwiesen nicht mehr ausreichend gepflegt werden, sieht das im August 2021 gestartete gleichnamige Folgeprojekt als einen wichtigen Baustein die Weiterbildung von fachlich qualifizierten Obstbaumwarten vor. Weiterhin werden vorbildliche Streuobstbestände in ganz NRW als „Best-Practice“-Beispiele mit einer Plakette und Urkunde ausgezeichnet. Nun erhielt die Familie Venker-Metarp für ihren Einsatz zum Schutz und Erhalt der Streuobstwiese in Langenberg die Plakette „vorbildlicher Streuobstbestand“.
In NRW wurden bisher insgesamt 45 Streuobstwiesen ausgezeichnet, davon zwei Bestände vergangenes Jahr im Kreis Gütersloh.
Mehr zum Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW: www.streuobstwiesen-nrw.de