Am Samstag, den 4. Februar 2017 trafen sich einige Interessierte auf dem Hof Wulfhorst in Steinhagen, um dort von den erfahrenen Landschaftsgärtnern Gerhard und Gerrit Wulfhorst in die Geheimnisse des Obstbaumschnitts eingeführt zu werden.
Gerhard Wulfhorst erläuterte zunächst ausgiebig, dass es „den“ Obstbaumschnitt nicht gibt. Je nach Gegebenheiten kann der Schnitt des Baumes variieren. Wenn die Bäume z.B. an einer Straße stehen, an der hohe Fahrzeuge fahren, werden die Kronen höher angesetzt, als bei Bäumen einer Obstbaumplantage, die einfach zu Pflücken sein müssen.
Auch die Kronenform kann je nach Interesse variiert werden, ob man nun einen Terminaltrieb (eher pyramidenförmige Krone) belässt, oder mehrere starke Triebe und damit eine breitere Krone haben möchte, liegt im Ermessen des Gärtners.
Geschnitten wird grundsätzlich, um die Fruchtbarkeit des Baumes, dass heißt den Ertrag, zu steigern, da Obstbäume nur an jungen Trieben blühen und Früchte tragen.
Ziel des Rückschnittes, wie ihn Gerhard Wulfhorst durchführt, ist, dass man anschließend eine Mütze durch die Krone werfen kann, ohne dass sie hängen bleibt. Dazu werden alle Triebe, die Richtung Mitte wachsen geschnitten, sowie von Mehrfachtrieben maximal zwei stehen gelassen.
Auch bei den Schnitttechniken gibt es durchaus Spielraum. Ob man einen radikalen Rückschnitt (bis an die erste Knospe) macht, oder etwas weniger stark und dafür jährlich schneidet, liegt ebenfalls im Ermessen des Gärtners.
Wichtig ist aber bei allen Schnitten, dass die Schnitte selber sauber ausgeführt werden, ohne Fäden aus der Rinde zu ziehen und ohne an der Schnittfläche Kanten stehen zu lassen. Ersteres ist eine Verletzung des Baumes und kann zum Eindringen von Krankheitserregern führen (ähnlich wie Verletzungen an der Haut beim Menschen), Kanten führen zu Wasserstau und damit ebenfalls zum Eindringen von Krankheitserregern. Gerhard Wulfhorst rät beim Schneiden von Ästen den Astring stehen zu lassen (eine bis 2 cm dicke Wulst am Stamm oder nächst größeren Ast aus der der Ast wächst). Die Erklärung dazu: der Astring ist eine Art Verbindungsstück zwischen Stamm und kleinerem Ast. Wenn man diesen wegschneidet, hat man eine Verletzung direkt am Stamm, lässt man ihn stehen, hat man eine saubere Schnittkante abseits vom Stamm.
Um diese sauberen Schnittkanten zu erzielen, führte Gerhard Wulfhorst verschiedene Schneidwerkzeuge vor, mit denen er in seiner Praxis als Garten- und Landschaftsbauer gute Erfahrungen gemacht hat. Er empfiehlt zum Beispiel Scheren mit beidseitigen Klingen und nicht mit Klinge und Ambos. Letzteres führt oft zu Quetschungen und Abreißen von Rindenfäden, Während beidseitige Klingen auch von beiden Seiten schneiden. Geräte an langen Stielen, egal ob Scheren oder Sägen, können in bestimmten Situationen hilfreich sein, ein sicherer und gezielter Schnitt ist aber nahe am Schnittpunkt immer vorzuziehen. Auch hier hatte Gerhard Wulfhorst praktische Tipps. Wer nicht wie er auf Hebebühnen oder Ähnliches zurückgreifen kann, sondern auf im Gelände eher wackligen Leitern arbeiten muss, kann diese trotzdem absichern: Einfache Spanngurte oder Seile, mit denen der Leiterkopf an einen Ast angebunden wird, senken die Kippgefahr deutlich. Ein Spaten in den Boden gestochen, gegen den der Leiterfuß gestellt wird, verhindert ein Abrutschen der Leiter, wenn niemand festhalten kann.
Nach so viel Theorie und praktischer Vorführung von Gerhard Wulfhorst, legten einige der Anwesenden selber Hand an, um beim Obstbaumschnitt auf der Streuobstwiese mitzuhelfen. Gerhard Wulfhorst zeigte sich anschließend zufrieden mit den beschnittenen Bäumen und erläuterte, dass man ruhig mutig schneiden darf. Oft treiben die Bäume anschließend um so stärker wieder aus.
Zu beachten ist jedoch, dass es artenabhängig unterschiedliche Zeitpunkte gibt, wann die Bäume beschnitten werden sollten. Die Walnuss zum Beispiel sollte im August beschnitten werden, ein Schnitt im Oktober kann zum Ausbluten des Baumes führen. Auch Kirschen sollten während oder kurz nach der Ernte beschnitten werden, während Äpfel im Herbst oder vor dem Laubaustrieb beschnitten werden können.
Allen, die sich Sorgen um den Lebensraum Baumkrone machten, gab Gerhard Wulfhorst auf den Weg, dass man ja nicht gezwungen sei, alle Bäume gleichzeitig zu schneiden, sondern immer nur einen gewissen Teil. Wenn einen Baum radikal schneidet, hat man Zeit, bis ein neuer radikaler Rückschnitt nötig wird. In dieser Zeit sind dann die anderen Bäume dran.