„Kühe sind doch lila und Schweine alle rosa …?“

Schulbauernhof Ummeln.


Nachbericht zur Exkursion zum Schulbauernhof in Bielefeld-Ummeln

Ein Beitrag von Martina Vogt

Bielefeld-Ummeln: „Sind denn nicht alle Kühe lila?“, lautete die Frage eines Schulkindes, das vor nicht allzu langer Zeit zu Besuch auf dem Schulbauernhof in Ummeln war, erinnert sich Sigrid Kownatzki. Und: „Alle Schweine sind doch rosa!“ Von wegen! Solche und ähnliche Wissenslücken bei Kindern und Jugendlichen seien heutzutage nicht selten, weiß Sigrid Kownatzki und schaute dabei Mitte Mai 2024 in 20 sprachlose Gesichter, die der Einladung des NABU Gütersloh, den Lehr- und Lernbauernhof in Ummeln näher kennenzulernen, gefolgt sind.

Wie alles begann …

Die Erkenntnis darüber, dass Eltern, Schule und die Gesellschaft wenig Raum für gemeinsame Aktivitäten für Kinder in der Natur bieten, veranlasste eine Gruppe von Lehrer:innen, Eltern und Schüler:innen sich Anfang der 1980er Jahre zu einem heute 140-Mitglieder starken Förderverein zusammenzuschließen. Als erster Schulbauernhof Deutschlands prägte der Verein die naturpädagogische Arbeit maßgeblich.

Schulbauernhof Ummeln

Und wie es heute ist …

„Zu uns kommen regelmäßig Schulklassen, die hier wohnen und die Aufgabe bekommen, selbst mitanzupacken, also selbst aktiv werden“, erzählt uns die studierte Biologin ein wenig stolz, während sie uns über den Hof zu den Schweine-Ställen, den Schafen und schließlich ins Innere des Bauernhauses führt, aus dem normalerweise fröhliches Kinderlachen nach draußen schallt. Bis zu 34 Kinder und Jugendliche können im Bauernhaus untergebracht werden, meist sind es Vier- und Fünftklässler.

Hier lernen sie einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) mit den Schwerpunkten Ernährung/Landwirtschaft und Ökologie/Soziales. Durch eigenes Mitmachen sollen die Kids verstehen lernen, wie Landwirtschaft, Natur und Umwelt mit unserer Ernährung zusammenhängen. „Bei uns lernen sie die Arbeitsbereiche und Kreisläufe einer ökologisch orientierten, nachhaltigen Landwirtschaft richtig kennen“, fasst es Sigrid zusammen. Dabei gibt es genügend Höfe in Deutschland, „wo man einfach nur mitlaufen kann“, fährt Sigrid fort. „Wir betreiben unseren Hof mit dem Fokus, dass die Kids vor Ort verstehen lernen, wie aufwendig es ist, Essen auf den Teller zu kriegen. Sie erlernen selbst gesteuertes, verantwortungsbewusstes Handeln, und sie empfinden Freude und Stolz über selbst erreichte Ziele.“

Selbst gesteckte Ziele und vor allem Ergebnisse können die Kinder und Jugendlichen im hauseigenen Gemüsegarten erreichen, zum Beispiel, wenn die Kartoffelernte ansteht, oder auf der groß angelegten Streuobstwiese, beim Ernten von Äpfeln oder Kirschen. „Wenn Kartoffelernte ist, dann ist immer eine ganze Klasse daran beteiligt“, erzählt Sigrid weiter. Zu den täglichen Aufgaben, die die Jungen und Mädchen auf dem Hof erledigen müssen, gehört unter anderem das Füttern der Tiere aber auch das Tischdecken, Putzen, das Geschirr abräumen nach dem gemeinsamen Frühstück und natürlich das Abwaschen. „Das Essen wird von den Kids zusammen mit den Erwachsenen (zum Beispiel den Lehrern und/oder Mitarbeitenden des Hofes) vor- und zubereitet“, weiß Sigrid. „So klein unser Hof ist, so effektiv ist er aber auch!“

Die Kids müssen auch mal eine Schubkarre schieben können

„Am liebsten nehmen wir Schulkinder ab der vierten Klasse bei uns auf“, fährt Sigrid Kownatzki fort. Darunter habe es wenig Sinn, „denn das hier hat Ernstbezug. Die Mädchen und Jungen müssen hier eine Schubkarre schieben können und ähnliches. Je jünger die Kinder sind, desto begeisterter sind sie, aber desto weniger ausdauernd sind sie.“

„So ein Leben auf einem Bauernhof ist jenseits der Lebensrealität von 98 Prozent der Mädchen und Jungen, die heutzutage groß werden“, bestätigt uns Sigrid. Und das merke man auch: „Vorletztes Jahr (2022), als die Apfelernte so gut war, besuchten uns mehrere Kinder auf dem Hof, die voller Überzeugung sagten: Wenn ein Apfel au dem Boden liegt, kann man ihn nicht mehr essen.“

Seltene Rassen auf dem Hof

Was man auf dem Bauernhof in Ummeln zu Gesicht bekommt, sind die Rassen, die heute auf normalen Höfen nicht mehr gehalten werden. Auch Haustierrassen können aussterben. „Um das zu verhindern, züchten und nutzen wir sie weiter“, erzählt uns Sigrid.

Auf dem Hof gibt es viele seltene Haustierrassen zu entdecken, zum Beispiel das Schwäbisch-Hällische Landschwein, Coburger Fuchsschafe, Japaner-Kaninchen, Lippegänse, Pommern- und Warzenenten, einige Hühnerrassen wie die Bunten Bentheimer, den Westfälischen Totleger, die kurzbeinigen Krüper, Vorwerkhühner und Antwerpener Bartzwerge, „aber auch einen stinknormalen Hofhund, zwei typische Hauskatzen und ein paar Bienenvölker“, erzählt Sigrid und lächelt. Seit 1995 gilt der Hof als Arche-Hof der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH).

Arche-Hof

„Dadurch, dass wir GEH-Hof sind, zeigen wir deutlich, dass das Wohl der Tiere oberste Priorität für uns hat“, bestätigt mir Elke Siemens, Ehrenvorsitzende des Schulbauernhofs Ummeln, später. Ganz bewusst habe man sich gegen Pferde, Esel oder nur Streicheltiere entschieden, weil sie die bäuerliche Wirklichkeit nur unzureichend abbilden und nicht selten besondere Zuwendung durch einzelne Betreuende benötigen. „Wir wollten den Blick für andere Tiere weiten, die auch ein Recht – auch wenn sie Nutztiere sind – auf artgerechte Tierhaltung haben und deren Haltungsform in der Gesellschaft oft nicht im Fokus steht und nicht hinterfragt wird“, so Siemens und sagt abschließend: „Immerhin werden die Kinder bei uns dazu angeregt, auch über ihren eigenen Fleischkonsum und die Formen, wie Tiere leben, nachzudenken und dabei eigene Entscheidungen für sich zu treffen.“

Schulbauernhof Ummeln. Fotos: Martina Vogt